Serbischer Patriarch Pavle I. tritt mit 94 Jahren zurück

Das Ende einer Ära

Schon seit einem Jahr war er gesundheitlich schwer angeschlagen und nicht mehr in der Lage, sein Leitungsamt auszuüben.
Trotzdem hatte Patriarch Pavle I. mehrfach abgelehnt, freiwillig zurückzutreten - bis im Mai die Synode der serbisch-orthodoxen Kirche das Heft in die Hand nahm und ihn für abgesetzt erklärte. Am Freitag nun hat der Patriarch offiziell seinen "Rückzug aus dem aktiven Dienst" erklärt - das Ende einer Ära.

Autor/in:
Karl Peters
 (DR)

Seit 1990 stand Pavle I. an der Spitze seiner Kirche, und er musste sie durch eine Reihe äußerst prekärer Phasen steuern: die Herrschaft von Slobodan Milosevic, den kriegerischen Zerfall Jugoslawiens, die NATO-Angriffe und die weiter schwelende Kosovo-Krise. Seine geistliche Autorität gewann der kleingewachsene, hagere Mönch auch durch seinen asketischen Lebensstil. Seine sprichwörtliche Volksnähe bedeutete für ihn auch, die Anliegen seiner Kirche und des serbischen Volkes zu wahren - was ihm, einem eher unpolitischen Geistlichen, den Vorwurf politischer Einseitigkeit und fehlender Distanz zum Milosevic-Regime eintrug.

Tatsächlich sprach sich Pavle I. während der Jugoslawien-Kriege - auch gegen Stimmen aus der eigenen Synode - immer wieder gegen gewaltsame Lösungen aus. Mehrmals forderten serbisch-orthodoxe Bischöfe seinen Rücktritt, besonders als er das Friedensabkommen von Dayton unterstützte. Gleichwohl brachten die enge Verbindung von Serbentum und Orthodoxie und der traditionelle Anspruch, die Serben müssten für ihr Überleben mit einer Stimme sprechen, die Kirche unter ihrem Patriarchen Pavle I. fast zwangsläufig in die politische Spur der serbischen Führung.

44. Nachfolger auf dem serbischen Patriarchenstuhl
Gojko Stojcevic, so sein bürgerlicher Name, wurde am 11. September
1914 im slawonischen Kucani im heutigen Kroatien, geboren. In Tuzla und in Belgrad besuchte er das Gymnasium; seine theologische Ausbildung erhielt er in Sarajevo und Belgrad. 1948 begann er sein Leben als Mönch im Kloster Raca und nahm den Namen Pavle an. Seit 1950 lehrte er im Priesterseminar in Prizren. Nach seiner Priesterweihe 1954 studierte er in Athen weiter.

Nach seiner Rückkehr war er für 33 Jahre Bischof von Raska-Prizren im Kosovo - bis zum 1. Dezember 1990, seiner Wahl zum "Erzbischof von Pec, Metropoliten von Belgrad-Karlovci und serbischen Patriarchen", so der volle Titel. Mit der Absetzung seines Vorgängers German - wegen "fehlender Volksnähe" - wurde Pavle der 44. Nachfolger des heiligen Sava auf dem serbischen Patriarchenstuhl.

Bescheiden und berühmt dafür
Berühmt und gerühmt sind über die Konfessionsgrenzen hinaus Pavles einfacher Lebensstil und seine Bescheidenheit. So ging der Patriarch möglichst viele Wege zu Fuß oder legte sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurück. Auf die Frage, warum er kein Auto wolle, meinte er einmal, er werde erst eines kaufen, wenn jeder Haushalt im Kosovo eines habe.

Pavle I. trat zuletzt für ein demokratisches System ein - und pflegte gleichzeitig ein enges Verhältnis zum serbischen Erbprinzen Aleksandar Karadjordjevic, dem Sohn des letzten jugoslawischen Königs Peter II., der 2001 nach Belgrad zurückkehren konnte. So verwunderte es nicht, dass sich das Kirchenoberhaupt im November 2003 für eine parlamentarische Monarchie in Serbien-Montenegro aussprach. Alle europäischen Demokratien, die das System der parlamentarischen Monarchie bewahrt hätten, seien "fortschrittliche Staaten" und "echte Demokratien".

Auch von seiner ökumenisch offenen Haltung ließ sich der Patriarch bis zuletzt nicht abbringen. Mehrmals erklärte er sich bereit, Papst Johannes Paul II. in Belgrad zu empfangen. Dennoch kam die Begegnung nicht mehr zustande. Noch zu Pavles 90. Geburtstag im September 2004 übermittelte der polnische Papst Grüße - und als Geschenk eine Marien-Ikone.