Klosterbibliothek Loccum feiert Jubiläum

Buchschätze aus Jahrhunderten

Innerhalb der Mauern des Klosters Loccum in Niedersachsen schlummern Buchschätze aus 750 Jahren. Die Klosterbibliothek gehört damit zu den ältesten in Deutschland. Am Samstag wurde das Jubiläum mit einem Festakt gefeiert.

Autor/in:
Karina Scholz
 (DR)

Der Loccumer Klosterbibliothekar Jörg Fiedler schlüpft an seinem Arbeitsplatz gleich in mehrere Rollen: Er ist Verwalter, Geschichtenerzähler, Schatzhüter, Leseratte und eine "One-Person-Library", eine "Ein-Mann-Bibliothek", wie er sich selbst nennt. Der 44-Jährige ist allein für den Leihbetrieb von über 80 000 Büchern zuständig. In diesem Jahr muss er Gästen besonders viele Fragen über "seine" Bibliothek beantworten, denn die Klosterbibliothek Loccum in Niedersachsen wird 750 Jahre alt. Dieses Jubiläum wurde am Samstag mit einem Festakt gefeiert.

Damit gehört sie laut dem Deutschen Bibliotheksverband zu den ältesten Bibliotheken in Deutschland. In den Regalen entlang der Klostermauern schlummern Buchschätze aus Jahrhunderten. Doch nur auf die Tradition möchte Fiedler die Klosterbibliothek nicht beschränkt wissen: "Wir wollen den jungen Theologen hier moderne Arbeitsplätze bieten", sagt er. Jedes Jahr kommen rund 40 Vikare ins Kloster, um sich auf ihren kirchlichen Dienst vorzubereiten. Für ihre Examensarbeit in der Theologie greifen sie dann auf alte und moderne Fachliteratur der Klosterbibliothek zurück.

Dass die Bücherstube im Kloster Loccum mal zu historischer Bedeutung heranwachsen würde, ahnten ihre Gründerväter noch nicht. Als im Jahr 1258 in den Schriftstücken des Klosters erstmals ein Lektor erwähnt wird, "da war der Buchbestand hier noch eher bescheiden", erzählt Fiedler schmunzelnd. Auch Klosterabt Theodor Stracke (1600-1629) bezeichnete in seinen Notizen die Bibliothek noch als "ein lustig schön Gemach".

Nach streng wissenschaftlicher Arbeit klingt das nicht, und Horst Hirschler, heutiger Klosterabt und Landesbischof in Rente, weiß warum: "Die Zisterzienser haben sich damals mehr um die Pflege ihrer Apfelbäume gekümmert als um die Pflege ihrer Bücher." Trotzdem wuchs der Bestand der Bibliothek im früheren Zisterzienserkloster stetig. Die meisten Bücher seien durch Schenkungen dazugekommen, sagt Fiedler. Das älteste Buch sei ein theologisches Lehrwerk von 1300. Die älteste Urkunde im Bestand der Bibliothek ist auf 1183 datiert und setzt die Klosterregeln fest.

Die Zisterzienser lebten nach der Regel des Heiligen Benedikt "ora et labora" ("Bete und arbeite"), widmeten sich aber neben dem geistlichen Leben nicht wie die Benediktiner vorrangig der Wissenschaft und Schreibkunst, sondern der Gartenarbeit. In der umfangreichen Zettelsammlung des Abts Stracke, die Fiedler und Hirschler bald als Buch herausgeben wollen, findet sich deshalb unter anderem ein Rezept für Quittengelee. Der Abt vermerkte jedoch auch Nachrichten oder Zeitgeschichtliches in seinen Notizen, die in der Bibliothek als Chronik bezeichnet werden. So erfährt der Leser zum Beispiel, welche Standorte die Bibliothek im Laufe der Zeit durchwanderte.

Im Wärmeraum der Mönche, dem sogenannten Calefaktorium, nahm die Schreibarbeit der Zisterzienser ihren Anfang. 1512 wurde für die Bibliothek dann ein Gebäude auf dem Friedhof des Klosters errichtet. Als dem jedoch der Einsturz drohte, transportierte man die Bücher ins Siechenhaus, der damaligen Krankenpflegestation. Mehrere Transporte und Umbauten der Bibliothek folgten - und auch heute noch sind die Bücher in vielen Räumen verteilt untergebracht. Wenn Fiedler Bücher einsortieren will, muss er oftmals einige Türen aufschließen, um zum richtigen Regal zu gelangen. "Früher gab es im Kreuzgang den Rationalistengang", erzählt er. "Da standen die Bücher der Rationalisten und es bedurfte erst der Genehmigung des Abtes, um eins davon zu lesen."

Das Einholen von Genehmigungen zum Lesen mancher Bücher können sich die jungen Theologen in der Ausbildung heute zwar sparen, aber den berühmten "Rationalistengang" gibt es immer noch. "Jetzt stehen hier auch Bücher über Technik oder Psychologie", sagt Fiedler.

Zu Fiedlers Arbeit gehört es auch, Schulklassen oder Seniorengruppen durch die Bibliothek zu führen. "Das ist wunderbar, ich habe eine sehr werthaltige Arbeit", sagt er. Für die Zukunft wünscht er sich vor allem, dass die Klosterbibliothek viele Nutzer hat. "Hier ist jeder willkommen, der sich für unsere Bücher interessiert", sagt Fiedler.