Der Gottesdienst begann mit einem feierlichen Einzug der römisch-katholischen, der orthodoxen, der freikirchlichen und der reformatorischen Kirchenfamilien in den "Michel".
Thissen erinnerte daran, dass das Zusammenleben in Verantwortung vor Gott geschehe, wie es die Präambel des Grundgesetzes festschreibe. Der Erzbischof betonte das Lebensrecht und die Würde eines jeden Menschen. Zu ihrem Schutz trage die Schwangerenberatung am Beginn des Lebens ebenso bei wie Hospize am Lebensende.
Nach seiner Einschätzung ist im Prozess der Wiedervereinigung bereits viel erreicht: "Die regionalen Gegensätze in Deutschland sind weitaus geringer als in manchen anderen europäischen Ländern." Es gehöre zur gemeinsamen Verantwortung, "das nicht klein zu reden, was an Miteinander bereits gewachsen ist", so Thissen.
Jepsen wirbt für den Erhalt christlicher Traditionen
"Wer bewusst Weihnachten oder Ostern feiert, kann anderen auch leichter zum Zuckerfest oder zum Laubhüttenfest gratulieren", warb Jepsen für den Erhalt christlicher Traditionen. Die evangelische Bischöfin hob die große Bedeutung des Religionsunterrichts für das gegenseitige Verständnis der Religionen und Konfessionen hervor.
Wichtig sei, "dass Interesse geweckt wird für Heiliges, für den eigenen Glauben und für den der anderen". Auch die christliche Ökumene sei in der heutigen Form früher nicht denkbar gewesen. Allerdings habe der interreligiöse Dialog "noch weite und vielleicht auch steinige Wegstrecken vor sich", so Jepsen.
Festakt mit deutscher Polit-Prominenz
Zu den rund 1200 geladenen Gästen aus ganz Deutschland gehörten auch Bundespräsident Horst Köhler, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (beide CDU) als amtierender Bundesratspräsident und damit Gastgeber für die Einheitsfeier.
Bundespräsident Horst Köhler rief beim Festakt im Anschluss an den Gottesdienst die Deutschen auf, sich auf ihre Kultur zu besinnen. Kultur mache tolerant und frei, sagte das Staatsoberhaupt. Eine Zukunftsaufgabe des Landes sei es, Zuwanderer für die deutsche Kulturnation zu gewinnen. Auch beim vorangegangenen ökumenischen Gottesdienst stand die Integration von Ausländern im Mittelpunkt.
Bundesratspräsident Ole von Beust (CDU) sagte, Kultur frage nicht nach Abstammung und Herkunft, sondern nach Empfindungen. Sie wecke Emotionen und ermögliche gemeinsame Erfahrungen, aus denen sich Kraft und Motivation schöpfen ließen. Auch das Ausland bewundere Deutschland für seine Künstler, Schriftsteller, Musiker und Komponisten, sagte der Hamburger Bürgermeister. Die deutschen Künstler trügen Sympathien in alle Länder, nicht zuletzt auch dank der Einflüsse von außen und von Menschen anderer Kulturen, die in Deutschland eine neue Heimat gefunden haben.
Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) appellierte zum Tag der Deutschen Einheit an die Christen im Land, mehr Verantwortung für das Gemeinwesen zu übernehmen. Er wünsche sich mündige Bürger und Christen und keine schweigenden Untertanen, sagte Schönbohm in der evangelischen Kirche von Wünsdorf bei Zossen in Brandenburg. «Politikmüdigkeit und Zetern über 'die da oben' sollten Christen anderen überlassen», fügte er laut Redemanuskript hinzu.
Einheitsfeier mit ökumenischem Gottesdienst in Hamburg eröffnet
"Nicht klein reden, was gewachsen ist"
Mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Hamburger St.-Michaelis-Kirche, dem berühmten "Michel", haben am Freitag die zentralen Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit begonnen. Im Mittelpunkt des von der evangelischen Bischöfin Maria Jepsen und dem katholischen Erzbischof Werner Thissen geleiteten Gottesdienstes stand das Thema der Integration von Zuwanderern in die deutsche Gesellschaft.
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