Lutheraner kritisieren Ablass zum Paulusjahr

Moderner Ablass

Die katholische Ablasspraxis schadet nach Auffassung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) der Ökumene. Es bleibe rätselhaft, warum der Vatikan zu Beginn des Paulusjahres wieder auf die Möglichkeit verweise, einen vollkommenen Ablass zu erwerben, schreibt der Braunschweiger Landesbischof Friedrich Weber in den am Dienstag in Hannover erschienenen "VELKD-Informationen". Er rief die Lutheraner auf, sich in der Frage theologisch mit den Katholiken auseinanderzusetzen. Weber ist Catholica-Beauftragter der VELKD, zu der acht lutherische Landeskirchen gehören.

 (DR)

Das Ablasswesen war eine der Hauptursachen für die Reformation, die mit dem Wittenberger Thesenanschlag durch Martin Luther (1483-1546) am 31. Oktober 1517 begann. Im Zentrum der reformatorischen Erkenntnis stehe, dass Gott den Menschen in Christus die Gerechtigkeit umsonst schenke, so Weber. «Sie kann nicht käuflich durch den Ablass erworben werden.»
Der moderne katholische Ablass wird zu bestimmten Anlässen angeboten, etwa zum Paulusjahr oder den Weltjugendtagen. Im Unterschied zur Zeit Luthers spielt Geld dabei keine Rolle.

Der Braunschweiger ev. Bischof schreibt, ehrlicherweise müsse man darauf verweisen, dass die modernen Ablässe eine Vergebung der Sünde durch Reue und den Empfang des Bußsakraments voraussetzten. Kein Katholik müsse Ablässe gewinnen, sie seien auch nicht heilsnotwendig. Man habe aber gelernt, dass der Ablass ein «Element der katholischen Frömmigkeit» sei, unterstrich der Bischof. Dennoch erwecke der Begriff Assoziationen, die einer «um Empathie bemühten Ökumene» nicht dienlich seien.

Vergebung und Strafe
Der Ablass ist in der katholischen Theologie die Läuterung des Sünders durch Verrichtung einer Buße. Während in der frühen Kirche die Gläubigen vor der Vergebung ihrer Sünden handfeste öffentliche Kirchenstrafen wie das Gehen in Sack und Asche verbüßen mussten, rückten Vergebung und Strafe im Laufe der Kirchengeschichte auseinander. Die Sündenvergebung geschieht nun in der Beichte. Die Strafverbüßung wurde zu einer eher abstrakten Angelegenheit. Mit der Entwicklung der Lehre vom Fegefeuer entstand die Vorstellung von zeitlichen Sündenstrafen im Jenseits, die durch Buße und gute Werke im Diesseits vermieden oder verkürzt werden können.

Aus diesem für die katholische Lehre bis heute gültigen Grundgedanken entwickelte sich im Mittelalter eine fragwürdige Praxis. So konnte durch die Ableistung einer bestimmten Zahl von Bußakten und durch die Zahlung einer Geldsumme eine festgelegte Zahl von Tagen im Fegefeuer aufgehoben werden. Martin Luther sah darin eine krasse Verfälschung der christlichen Lehre von der Gnade Gottes, die nicht manipulierbar sein konnte. Damit wurden die extremen Formen der Ablasspraxis im 16. Jahrhundert zu einem Auslöser von Reformation und Kirchenspaltung.

Die heutige katholische Ablasslehre wurde von Papst Paul VI. 1968 neu festgelegt und von Papst Johannes Paul II. zuletzt 1998 in der Bulle für das Heilige Jahr 2000 bestätigt. Danach unterscheidet die Kirche zwischen einem teilweisen und einem vollkommenen Ablass. Letzteren kann zu bestimmten Anlässen jeder Katholik erwerben, der nach Beichte, Eucharistie und Gebeten bestimmte Werke der Buße tut.