Lech Walesa, Polens ehemaliger Staatspräsident und Gründer der Solidarnos, wird 65

Selbstbewusst und oft umstritten

Noch immer trägt Lech Walesa die Anstecknadel mit der Schwarzen Madonna von Tschenstochau am Revers. Sogar beim Joggen fehlt sie nicht - und sicher auch nicht heute, an seinem 65. Geburtstag. Das Marienbild ist zum Symbol für den demonstrativen Katholizismus des polnischen Revolutionshelden geworden.

Autor/in:
Oliver Hinz
 (DR)

Die bis heute starke Präsenz der Kirche im politischen Leben Polens geht zu einem nicht geringen Anteil auch auf Walesa zurück. Der Präsidentenpalast hat dank Walesa einen eigenen Pfarrer. Während seiner Zeit als Staatspräsident (1990-1995) nahm der Gründer der Gewerkschaft Solidarnosc zu zahlreichen Terminen einen Priester mit - quasi im Rang eines Chefberaters. Sowohl zu Treffen mit Abgeordneten als auch auf Reisen. Das war eine ganz neue Rolle der Kirche nach dem Ende des kommunistischen Regimes 1989.

Den eigenen Erfolg und den der Solidarnosc erklärt Walesa mit Papst Johannes Paul II. (1978-2005). «Die Existenz der Solidarnosc und von mir wären ohne diesen großartigen Polen nicht vorstellbar», sagte er einmal. Bereits im Januar 1980 - vor seiner Wahl zum Gewerkschaftschef und der großen Streikwelle - gewährte das Kirchenoberhaupt einer Arbeiter-Delegation unter Leitung Walesas eine Audienz. Johannes Paul II. stand klar auf der Seite der polnischen Freiheitsbewegung - und machte dies schon 1979 bei seiner ersten Pastoralreise in sein Heimatland deutlich.

Unumstritten war Walesa gleichwohl nie. Die Eignung als Staatsoberhaupt sprachen dem Werftarbeiter viele Polen von Anfang an ab. Der Friedensnobelpreisträger von 1983 enttäuschte denn auch in seiner Amtszeit viele Erwartungen; die versprochenen blühenden Landschaften blieben aus. Der geborene Populist versagte an den Ansprüchen des hohen Amtes und regierte auf eine unberechenbare und selbstherrliche Weise. Manche sahen sogar die Demokratie in Gefahr.
Walesa verlor 1995 die Wahl gegen den Ex-Kommunisten Alexander Kwasniewski. Der Tiefpunkt dann im Jahr 2000, als er nur noch ein Prozent der Stimmen erhielt.

An seinem Ruf kratzte vor allem, dass er sich oft unüberlegt äußerte. Er erklärte, jemandem nicht mehr die Hand geben zu wollen, um es am nächsten Tag dann doch zu tun. So forderte die konservative Tageszeitung «Rzeczpospolita» 2006: «Man sollte vor Walesa ein Schild aufstellen, auf dem in sechs Sprachen geschrieben steht:
'Achtung, das ist nur Walesa! Bestaunt und bewundert ihn, aber nehmt nicht ernst, was er sagt - morgen widerruft er es sowieso.»

Inzwischen hat der Nobelpreisträger an Statur gewonnen, ist gerade im Ausland ganz Diplomat und rhetorisch gewandt. Und auch die Anfeindungen bis hinauf zum jetzigen Staatspräsidenten Lech Kaczynski, Walesa habe in den 1970er Jahren als Spitzel für den kommunistischen Geheimdienst gearbeitet, können ihm nichts anhaben. Unter allen Politikern schnitt er in einer Umfrage kürzlich am zweitbesten ab. Demnach vertrauen ihm 59 Prozent der Polen; nur Ministerpräsident Donald Tusk lag vor ihm. Da lässt sich am Montag recht zufrieden 65. Geburtstag feiern.