Aktion gegen die Trennung von Staat und Kirche in den USA

Wahlempfehlung von der Kanzel?

Es ist Wahlkampf in den USA, und auch in den Kirchen des Landes geht es fünf Wochen vor dem Tag X immer öfter um die Frage: Wen wählen? Bei der "Interfaith Alliance" ist man deswegen besorgt. Vor einigen Wochen startete die liberale Organisation eine landesweite Kampagne gegen eine andere Initiative: Sie rief Geistliche aller Glaubensrichtungen auf, die Grenzen zwischen Kirche und Staat zu schützen und sich von der Kanzel aus nicht für bestimmte Politiker auszusprechen.

Autor/in:
Adrienne Woltersdorf
 (DR)

Der konservative "Alliance Defense Fund" (ADF) fordert dagegen, genau das zu tun: Er rief mehrere Dutzend Geistliche auf, am Samstag in den Gotteshäusern Politiker zur Wahl zu empfehlen - und damit gegen US-Bundesgesetz zu verstoßen.

Regelungen des US-Finanzamtes Internal Revenue Service (IRS) sehen vor, dass Kirchen eine Steuerbefreiung erhalten, solange sie gemeinnützige und keine politischen Organisationen darstellen. Das wollen der im Bundesstaat Arizona ansässige ADF und seine Rechtsanwälte nicht länger hinnehmen. Die Organisation ist der Überzeugung, dass Geistliche ein in der US-Verfassung verbrieftes Recht haben, frei zu sprechen, Kandidaten für politische Ämter zu unterstützen und den Gläubigen zu empfehlen. In der Verfassung gebe es keine einzige Stelle, die wörtlich von einer "Trennung" von Kirche und Staat handele.

Nun suchen ADF-Anwälte die Provokation. Mit der Aktion am Samstag nehmen sie eine Klage des IRS mehr als nur in Kauf - sie hoffen gar auf eine juristische Schlacht bis hinauf zum Obersten Gerichtshof. Dort wollen sie die neun Richter dazu bringen, das mehr als 50 Jahre alte Verbot politischer Empfehlungen von der Kanzel herab einzukassieren - und gleichzeitig die Steuerbefreiung zu behalten.

"Seit langer Zeit hängt diese Wolke der Einschüchterung über den Kirchen", ist sich ADF-Anwalt Erik Stanley sicher. Es sei aber Aufgabe der Geistlichen und nicht der Regierung, "die richtige Rolle der Kirche in der Gesellschaft" zu definieren.

Der Kampf um Privilegien, Rechte und Grenzen der Geistlichkeit ist nicht neu in den USA. Und schon lange suchen Kandidaten die öffentliche Unterstützung von Pfarrern, Priestern und Rabbinern. Neu ist aber der direkte Angriff der ADF. "Wir suchen Kirchen, die sich diesem Kampf ernsthaft verschreiben wollen und die die Chancen und Risiken dieses Kampfes verstehen", sagt Stanley. Und die Risiken sind in der Tat vorhanden: Der ADF könnte selbst seine Steuerbefreiung verlieren.

Dennoch haben sich bereits drei Dutzend Kirchenvertreter aus 20
Bundesstaaten bereiterklärt, am Samstag von der Kanzel herab
Kandidaten für das Präsidentenamt und die zur Wahl stehenden
Kongresssitze zu empfehlen. "Interfaith Alliance" ruft unterdessen Geistliche auf, eine Sechs-Punkte-Erklärung zur Wahrung der Trennung von Staat und Kirche zu unterzeichnen. Rund 20 Geistliche aller Glaubensrichtungen haben das bereits getan.