Weißrussland wählt neues Parlament - Eklat im Vorfeld

"Oppositionskandidaten als Feigenblatt"

Zwischen der EU und Weißrussland herrscht diplomatische Eiszeit. Seit 14 Jahren reagiert Alexander Lukaschenko das Land autokratisch. Möglicherweise ändert sich das am Sonntag, wenn in Weißrussland ein neues Parlament gewählt wird. Lukaschenko hat demokratische Wahlen versprochen - auch wenn bislang nichts darauf hindeutet.

Autor/in:
Oliver Hinz
 (DR)

Kanstantsin Zhukowski wollte gerade seine Wahlansprache im Gebäude des staatlichen Regionalfernsehens von Gomel im Südosten Weißrusslands aufzeichnen, da kam es zum Eklat.  Der Senderchef beschimpfte ihn und rief die Polizei. Erst nach mehrstündigem Verhör auf der Polizeiwache kam der Parlamentskandidat der Weißrussischen Christlichen Demokratie wieder frei.

Fünf Minuten Sendezeit stehen eigentlich jedem Kandidaten vor dem Urnengang an diesem Sonntag zu. Trotzdem wird der Opposition der TV-Auftritt in dem autoritär regierten Land vielerorts verweigert.  Und damit nicht genug: Zhukowski und sein Wahlkampfmanager verloren ihren Job. Schließlich zog er seine Kandidatur zurück. Erst gar nicht von der jeweiligen Wahlkommissionen zugelassen wurden indes drei Christdemokraten.

Verstöße gegen demokratische Standards
Für die gesamte Opposition steht deshalb schon lange fest, dass die Wahlen für die 110 Parlamentssitze unfair seien. Internationale Beobachter dokumentierten bereits mehrere Verstöße gegen demokratische Standards. Das Staatsfernsehen und der staatliche Hörfunk blendeten demnach die Opposition fast vollständig aus ihrem Programm aus, kritisieren die Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Stattdessen widme das erste Programm allein Staatspräsident Alexander Lukaschenko 41 Prozent seiner Zeit für Politik-Nachrichten.

Insgesamt 84 Kandidaturen ließen die Behörden wegen angeblicher Formfehler nicht zu. In zehn Fällen hatten Beschwerden dagegen bei der Wahlkommission oder beim Verfassungsgericht Erfolg. Nun stehen für 110 Parlamentssitze 275 Kandidaten zur Wahl. In etwa einem Dutzend Wahlkreise steht nur ein einziger Bewerber auf dem Stimmzettel.

Oppositionelle fordern einen Totalboykott
Angesichts der Schikanen fordern einige Oppositionelle einen Totalboykott der Wahlen. Sie meinen: "Nur bei den Demos am Wahlabend werden unsere Stimmen gehört." Offenbar haben allerdings viele Kandidaten die Durchhalteappelle von EU-Botschaftern in Minsk beherzigt - und bleiben nun doch im Rennen. Die oppositionelle Sammelbewegung "Vereinte prodemokratische Kräfte" bietet nach eigenen Angaben 66 Kandidaten auf; 12 weitere gaben auf.

Lukaschenko kündigte bereits an, dass er mit dem Einzug von ein paar Oppositionskandidaten rechne. Für ihn wären sie ein Feigenblatt, meinen Beobachter - und ein Argument mehr, ein Ende der EU-Sanktionen gegen Minsk zu fordern. Wegen der andauernden Menschenrechtsverletzungen hat Brüssel unter anderem ein Einreiseverbot gegen den Präsidenten und weitere 39 Personen verhängt.