Zollitsch: Politik muss Lage von Familien mehr beachten

Familien als Schlüssel der Zunkunft

Die Politik muss nach Ansicht des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, die Situation von Familien stärker in den Blick nehmen. Die besonderen Bedürfnisse von Familien würden bei Entscheidungen "häufig nicht oder nicht genügend beachtet", sagte Zollitsch am Mittwochabend beim traditionellen Sankt Michael-Jahresempfang der katholischen Kirche in Berlin. Familien seien der Schlüssel für die Zukunft der Gesellschaft. Sie bräuchten die Unterstützung aller gesellschaftlichen Gruppen und staatlichen Organe.

 (DR)

Der Freiburger Erzbischof rief zugleich die Staatengemeinschaft zur Hilfe für verfolgte religiöse Minderheiten aus dem Irak auf. Hunderttausende seien im Irak oder den Nachbarländern auf der Flucht. Er dankte der Bundesregierung für ihr Engagement in dieser Frage. Seit dem Frühjahr debattiert die Politik in Deutschland und Europa eine Aufnahme verfolgter Iraker. Am 25.
und 26. September werden sich die EU-Innenminister erneut mit diesem Thema befassen.

Zollitsch beklagte auch die anhaltenden Übergriffe auf Christen und kirchliche Einrichtungen in Indien. «Auch hier ist internationale Solidarität vonnöten», mahnte er.

Kardinal Lehmann: Appell an die Wirtschaft
Im Hauptvortrag forderte Kardinal Karl Lehmann die Wirtschaft zu einer stärkeren Ausrichtung an sozialen und ethischen Grundprinzipien auf. Eine reine Marktwirtschaft bedrohe sich «immer wieder selbst, indem sie überdreht», warnte er. Der Mainzer Bischof, der im Februar das Amt des Vorsitzenden der Bischofskonferenz aus gesundheitlichen Gründen abgegeben hatte, wurde von den rund 1.000 Gästen in der Katholischen Akademie mit anhaltendem Applaus begrüßt.

Die Wirtschaft müsse auch im eigenen Bereich des Wirtschaftens stärker eine «sozial, kulturell und politisch ausgerichtete ethische Sensibilität ausbilden», mahnte Lehmann. Es genüge nicht, wenn sie mit ihren Gewinnen kulturelle und soziale Projekte fördere.

Der Kardinal rief dazu auf, die Ökonomie nicht einfach den Ökonomen zu überlassen. Sicher gebe es im System Wirtschaft Eigengesetzlichkeiten, die es zu respektieren gelte. Der wirtschaftlich Handelnde müsse sich aber zugleich der ethischen Verantwortung für die Folgen seines Tuns bewusst bleiben. Das werde bisher «sehr oft vernachlässigt». Das System der Wirtschaft dürfe sich nicht «gegenüber seiner Umwelt und anderen Systemen abschließen», so Lehmann.

Spitzen der Politik zu Gast
An dem Empfang nahmen Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Bundesminister Annette Schavan und Wolfgang Schäuble (alle CDU) teil. Neben Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) waren zahlreiche Staatssekretäre, Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU), mehrere Parlamentarische Geschäftsführer sowie weitere Abgeordnete aller im Bundestag vertretenen Parteien und CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla in die Katholische Akademie gekommen.

Erstmals vertrat Erzbischof Jean-Claude Perisset als Apostolischer Nuntius den Vatikan bei dem Empfang. Auch der Berliner Kardinal Georg Sterzinsky und mehrere Weihbischöfe zählten zu den Gästen. Vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) nahmen dessen Präsident Hans Joachim Meyer und weitere Mitglieder des Präsidiums teil. Neben zahlreichen Gästen aus der Ökumene und führenden Vertretern der katholischen Verbände hörten auch zahlreiche Angehörige des Diplomatischen Corps die Rede Lehmanns, darunter der israelische Gesandte Ilan Mor.