Eine Revision der Konkordate ist nicht in Sicht

"Ohne Not sollte man sie nicht ändern"

Gleich von mehreren Seiten gerät das deutsche Staatskirchenrecht derzeit unter Rechfertigungsdruck. Das seit den 1920er Jahren durch Konkordate und ähnliche Verträge geregelte System ist für das vereinte Deutschland seit Abschluss der Verträge mit Brandenburg und Bremen (2003) sowie Hamburg (2005) zwar nahezu flächendeckend. Doch in jüngster Zeit wurde es von den bayerischen Grünen, von Justizministerin Brigitte Zypries (SPD), indirekt aber auch von den islamischen Verbänden in Frage gestellt. Andererseits fehlt es nicht an Stimmen, die das bewährte Verhältnis verteidigen.

Autor/in:
Norbert Zonker
 (DR)

Der jüngste Vorstoß des bayerischen Grünen-Fraktionschefs Sepp Dürr, das Bayern-Konkordat von 1924 - der älteste Vertrag mit der katholischen Kirche - auf den «Prüfstand» zu stellen, wird überwiegend als Wahlkampfgetöse abgetan. Ungeachtet dessen gelten Einzelheiten des Bayern-Konkordats heute auch innerkirchlich als schwer vermittelbar, etwa die direkte Zahlung der Bischofsgehälter durch den Staat.

Gleichwohl dürfte der SPD-Elder-Statesman Hans-Jochen Vogel weitgehend auf Zustimmung stoßen mit seiner Ansicht, es gebe keinen Grund, am Staat-Kirche-Verhältnis etwas zu verändern. Die Verträge regeln beispielsweise die Tätigkeit der Kirchen in staatlichen Einrichtungen wie Schulen, Krankenhäusern, Gefängnissen oder Militär. Sie befassen sich mit Fragen des Denkmalschutzes oder der Friedhöfe, dem Schutz von Feiertagen oder der Regelung des Religionsunterrichts und der Theologischen Fakultäten. Weder Staat noch Kirche haben ein Interesse daran, hier ein Fass aufzumachen.

Vogels Bruder Bernhard berichtete kürzlich in München über die Vertragsverhandlungen während seiner Zeit als Ministerpräsident von Thüringen. Damals schloss der Freistaat Verträge mit der Jüdischen Landesgemeinde, den evangelischen Kirchen sowie drei Abkommen mit dem Heiligen Stuhl. Dabei zogen laut Vogel weder auf staatlicher noch auf kirchlicher Seite alle Beteiligten jeweils immer an einem Strang. Zwischen Ländern und Bund umstritten war etwa die Zuständigkeit bei der Errichtung der neuen Bistümer in Ostdeutschland. Differenzen auf kirchlicher Seite zwischen dem Bistum Erfurt und dem Vatikan gab es etwa über die Integration der Theologischen Fakultät in die Universität Erfurt.

Ein schwieriges Problem war die Bezugnahme auf das Reichskonkordat von 1933 und das Preußenkonkordat von 1929, «obwohl wir eine Reihe von Bestimmungen gerade dieses Vertrages in der Sache befürworteten», so Vogel. Während der Vatikan auf der Fortgeltung der bestehenden Verträge bestand, ging es für den Ministerpräsidenten um die grundsätzliche Frage der Rechtsnachfolge der ostdeutschen Länder und die Frage, welche Pflichten diese übernehmen müssten. Gefunden wurde schließlich ein Formel-Kompromiss in der Präambel, der dem Anliegen Roms Rechnung trug, ohne sich in der allgemeinen Frage festzulegen.

Inhaltlich zeigen die seit den 1990er Jahren ausgehandelten Verträge mit den ostdeutschen Ländern und den norddeutschen Stadtstaaten, wie Streitfragen aus den älteren Konkordaten gelöst werden können: So werden Staatsleistungen an die Kirche nicht mehr mit alten Rechtstiteln aus dem 19. Jahrhundert begründet, sondern, wie es etwa im Thüringer Vertrag heißt, «anstelle früher gewährter Dotationen» pauschal als «jährlicher Gesamtzuschuss» vereinbart.

Analog werden Zuschüsse an die evangelischen Kirchen oder an jüdische Landesgemeinden gezahlt. In Berlin erhält sogar der Humanistische Verband als Weltanschauungsgemeinschaft eine «Grundförderung» - und das ohne vertragliche oder gesetzliche Bindung. Die Rede von kirchlichen «Privilegien» geht zumindest hier ins Leere. Auch in anderen Bereichen wird der veränderten Lage Rechnung getragen: So verzichten etwa die ostdeutschen Länder ausdrücklich auf den im Reichskonkordat noch geforderten «Treueid» des neuen Bischofs und ein staatliches Vetorecht gegen die Bischofsernennung.

Bernhard Vogel zeigte sich in München zuversichtlich, dass es auch in Zukunft Verträge zwischen Staat und Kirche geben werde. Er fügte hinzu: «Gleichwohl rate ich zu einem umsichtigen Umgang mit bestehenden Verträgen. Ohne Not sollte man sie nicht ändern.»