Der Weg von Leiharbeit in eine Festanstellung

"Sklaverei" und Jobchance

Rund 750 000 Leiharbeiter gibt es mittlerweile in Deutschland, Tendenz steigend. Für viele Arbeitslose ist Leiharbeit das Sprungbrett zurück in den Job. Gewerkschaften allerdings kritisieren eine Zwei-Klassen-Mentalität, vor allem bei der Bezahlung. Der Ruf der Zeitarbeitsbranche ist schlecht - und das nicht unbegründet.

Autor/in:
Tonia Haag
 (DR)

Werner K. hat sich in Rage geredet. "Moderne Sklaverei" sei die Zeitarbeit, schimpft er und schüttelt den Kopf. Gerade einmal rund 600 Euro habe er am Ende eines Monats auf sein Konto überwiesen bekommen - und dafür 161 Stunden arbeiten müssen. Seinen fest angestellten Kollegen hingegen sei für die gleiche Arbeit im Elektrobetrieb der doppelte Lohn gezahlt worden. "Wir kämpfen ums Überleben", sagt K. und starrt bedrückt auf den Tisch, der vor ihm steht.

Nach Angaben der Initiative "Gütesiegel Zeitarbeit" ist K. kein Einzelfall. Rund 8000 Leiharbeitsunternehmen gebe es deutschlandweit, rund die Hälfte davon seien "schwarze Schafe", die ihre Angestellten nur schlecht bezahlten, sagt ein Sprecher der Initiative, die sich im März gründete, um positive Beispiele in der Branche auszuzeichnen.

Es gibt auch positive Beispiele
Positive Beispiele wie das Daimler-Werk im rheinland-pfälzischen Wörth, wo das Prinzip "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" gilt. Knapp 16 Euro plus Schichtzuschläge erhalten in der Produktion eingesetzte Leiharbeiter dort - genauso viel wie ihre neu eingestellten Kollegen, die direkt bei Daimler anheuern. Und die Aussichten, selbst einmal direkt angestellt zu werden, stehen offenbar nicht schlecht. Seit 2003 seien rund 1700 ehemalige Leiharbeiter in feste Arbeitsverhältnisse bei Daimler übernommen worden, berichtet Werkleiter Martin Daum stolz. Das sei rund die Hälfte der einstmals beschäftigen Leiharbeiter gewesen.

In anderen Betrieben können die Leiharbeiter von einer ähnlichen Übernahmequote nur träumen. Nach einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, der Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit, werden durchschnittlich nur 15 Prozent der Zeitarbeiter von ihren Entleihern fest angestellt.

Was vielen zu schaffen macht, ist anderen jedoch gerade recht. So wie Uwe H.. Der gelernte Elektriker ist seit 25 Jahren Leiharbeiter und kann sich ein anderes Arbeitsverhältnis auch gar nicht vorstellen. "Ich bin rundum zufrieden", sagt er und schwärmt vom Nomadenleben. Mal sei er sechs Wochen an einem Ort, mal neun Monate an einem anderen, komme also viel in der Welt herum und Sorgen müsse er sich mit seinem Stundenlohn von elf Euro auch nicht machen. Zudem müsse er sich nicht vor Massenentlassungen fürchten. Wenn ein Arbeitgeber keine Arbeit mehr für ihn habe, wechsle er halt am nächsten Tag zu einem anderen Auftragsgeber. "Arbeit habe ich immer gehabt", betont H.. Schattenseiten an der Leiharbeit gibt es für H. offensichtlich nicht.

Auch im hoch gelobten Daimler-Werk sind nicht alle zufrieden
Anders bei Werner K.. Der gelernte Drucker und umgeschulte Zweiradmechaniker musste nicht nur niedrige Löhne verkraften, sondern wurde nach wenigen Monaten von seiner Leiharbeitsfirma gleich ganz rausgeschmissen. Ein Bandscheibenvorfall sei der Grund gewesen, glaubt K. Dabei habe die Firma von Anfang an gewusst, dass er bestimmte körperliche Tätigkeiten nicht ausüben durfte, und ihn trotzdem dafür eingesetzt. Jetzt lebt der Süddeutsche von Hartz IV.

Auch im hoch gelobten Daimler-Werk sind nicht alle zufrieden. Ein Mitarbeiter berichtet, früher habe er für 40 Euro die Stunde direkt für den Lkw-Hersteller gearbeitet, heute seien es gerade einmal knapp 16 Euro. Denn trotz vorheriger 20-jähriger Tätigkeit sei er vom Daimler-Betriebsarzt ausgemustert worden - zu hoher Blutdruck und Taubheit seien der Grund gewesen. Heute arbeite er als Leiharbeiter wieder bei Daimler. Der Verleihfirma waren seine Handicaps offenbar egal. Nun hofft er darauf, dass auch Daimler eines Tages über seine Behinderungen hinwegsehen und ihn wieder fest anstellen wird.