Reportage: Ein Mörder studiert jetzt Theologie

Auf der Suche nach Vergebung

Am Sonntag zeigt die ARD die Reportage "...und vergib mir meine Schuld - Ein Mörder studiert Theologie". Ein Film über einen Mann, der sich seiner Schuld stellt. Und der Kraft im Glauben gefunden hat.

 (DR)

Schon die Stimme überrascht. Sie ist leise, klingt freundlich und nachdenklich. Und auch sonst entspricht Sascha Ball keinem der gängigen Klischees, die man für gewöhnlich mit einem Häftling verbindet. Er ist höflich, zurückhaltend und gebildet, macht einen sympathischen und ruhigen Eindruck. Doch der 39-Jährige hat auch eine andere, dunkle Seite. Denn er verbüßt eine lebenslange Freiheitsstrafe. Wegen Mordes.

Filmemacher Claus Hanischdörfer hat Sascha Ball mehrfach im Hochsicherheitsgefängnis im rheinland-pfälzischen Diez besucht.  Seine Reportage wurde im Auftrag des Südwestrundfunks produziert, die ARD zeigt sie am Sonntag um 16 Uhr.

Täglich quält Sascha Ball die Frage: Warum war ich zu einer solchen Tat fähig? Tagsüber arbeitet er als Redakteur für die Gefängniszeitung. Das lenkt ihn ab, bietet ein wenig Abwechslung im tristen Knastalltag. Doch abends und nachts, wenn er allein in seiner Zelle ist, dann kreisen seine Gedanken um seine Vergangenheit.

Ein Leben wie viele andere auch: Schule, Ausbildung, Heirat
Bis kurz vor dem Mord führte er ein Leben wie viele andere auch:  Schule, Ausbildung, Heirat und eigene Wohnung. Doch 1995 bekam sein Leben immer stärkere Brüche. Seine Ehe scheiterte, er wurde arbeitslos, hatte Alkoholprobleme. Im Mai jenes Jahres geschah dann der Mord an einer Bekannten - für ihn bis heute unbegreiflich.

"Hätten Sie mich zwei Wochen vor der Tat gefragt, ob ich so etwas tun könnte, hätte ich 'nein' gesagt." Erst zwei Jahre später wurde Sascha Ball, nachdem er eine Frau vergewaltigt hatte, gefasst und in diesem Zusammenhang auch des Mordes überführt.

Im Gefängnis zu Gott gefunden
Seit vier Jahren macht er eine Therapie, die ihm hilft, seine Gefühle in Worte zu fassen. Kraft gibt ihm aber vor allem sein Glaube. Im Gefängnis hat er zu Gott gefunden, regelmäßig vertraut er sich dem katholischen Seelsorger der Anstalt an. Er singt im Gefängnischor, bereitet die Gottesdienste mit vor. Und er studiert seit kurzem Theologie im Fernstudium, hat die ersten Prüfungen gleich mit "sehr gut" bestanden.

Das Wissen, dass er seine Taten nicht rückgängig machen kann, belastet ihn. Doch er will seinem Leben eine neue Richtung geben, könnte sich sogar vorstellen, nach seiner Haftentlassung Pfarrer zu werden. Ein schwieriger Weg, auch wenn die Kirche das nicht von vornherein ausschließt. Und er hofft auf Vergebung: "Ich weiß nicht, ob man so etwas vergeben kann. Aber ich glaube schon, dass da jemand ist, der mir in einer gewissen Art und Weise vergibt."

Für Regisseur Hanischdörfer stellte sich vor Beginn der Dreharbeiten die Frage, wie er dem verurteilten Mörder begegnen soll. Wie porträtiert man einen Menschen, der seine Tat bereut und auf eine neue Chance hofft, ohne gleichzeitig das von ihm begangene Unrecht zu verharmlosen? Es ist eine Stärke des Films, dass Hanischdörfer seine Unsicherheit nicht verbirgt: "Letztlich habe ich den Film so gestaltet, dass der Zuschauer sich ein eigenes Bild machen kann, und dabei hoffentlich ähnlich ambivalente Gefühle für Sascha Ball entwickelt, wie ich das während der Arbeit an diesem Film getan habe."