Langzeitarbeitslose sollen Demenzkranke betreuen

Warnungen vor Billig-Pflege

Mehrere tausend Langzeitarbeitslose sollen künftig Demenzkranke betreuen. Entsprechende Pläne der Bundesagentur für Arbeit und des Bundesgesundheitsministeriums wurden am Wochenende bekannt. Vertreter der Pflegebranche kritisierten das Vorhaben scharf und warnten vor Billig-Pflege. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) steht hinter dem Vorstoß. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel sprach von einer "arbeitsmarktstatistischen Scharlatanerie".

 (DR)

Nach dem neuen Pflegegesetz dürfen Heime für demenzkranke Bewohner zusätzliches Personal einstellen, die Kosten tragen die Pflegekassen. Die Bundesagentur bildet derzeit bundesweit Bewerberpools für die Stellen als sogenannte Pflegeassistenz. Laut «Süddeutscher Zeitung» (Samstagsausgabe) ist eine Kurzausbildung im Umfang von 100 Theorie- und 60 Praxisstunden vorgesehen. Am Dienstag berät der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenersicherung über eine entsprechende Richtlinie. Kurt Eikemeier, Sprecher der Bundesagentur für Arbeit, versicherte in der ARD, die Pflegeassistenten sollten keine voll ausgebildeten Pflegekräfte ersetzen.

Die Berliner Diakonie-Chefin Susanne Kahl-Passoth warnte vor einer «sehr billigen Lösung», eine Kurzausbildung reiche auf gar keinen Fall. Der Vorschlag könne nur von Leuten kommen, «die keine Ahnung haben von der Pflege Demenzkranker». Das Vorhaben sei nicht fair, weder gegenüber den Arbeitslosen noch gegenüber den Demenzkranken, sagte Kahl-Passoth dem epd. Die Direktorin der Diakonie Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz wies insbesondere auf die psychische Beanspruchung der Pflegenden hin. Die Arbeitslosen müssten sehr genau wissen, worauf sie sich einlassen.

«Demenz gleichzusetzen mit Basteln, Vorlesen und Spazierengehen ist eine Unverschämtheit», sagte Helmut Wallrafen-Dreisow, Mitglied des Kuratoriums Deutsche Altenhilfe, der «Süddeutschen Zeitung». Die Pflegekasse wolle es immer möglichst billig haben, aber die Heime sollten weiter hohe Qualitätsstandards halten. Das passe nicht zusammen.

Klaus Theo Schröder, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, wies die Kritik zurück. Es werde keine Billig-Pflege geben, sondern eine bessere Gesamtversorgung in Form von Pflege und Betreuung, sagte er in der ARD.

Unionsfraktionschef Kauder begrüßte das Vorhaben. «Wenn die Menschen für diese Aufgabe qualifiziert sind, ist das in Ordnung», sagte er der «Bild am Sonntag». FDP-Generalsekretär Niebel äußerte in derselben Zeitung Kritik: «Allein der Umstand der Arbeitslosigkeit ist keine Qualifikation für einen Pflegeberuf. Die Pflege alter und kranker Menschen ist zu wichtig für eine solche arbeitsmarktstatistische Scharlatanerie.»

Der nordrhein-westfälische Arbeits- und Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte der «Süddeutschen Zeitung», er begrüße grundsätzlich eine neue Beschäftigungsperspektive für Langzeitarbeitslose. Allerdings müsse «die menschliche Eignung der Bewerber» und «nicht ihre schwere Vermittelbarkeit» im Vordergrund stehen. Die Arbeitsverwaltung solle bei der Personalauswahl Arbeitslose mit einer Grundqualifikation im Pflegebereich ins Auge fassen.