Auf Mindanao kämpfen Muslime für mehr Autonomie

Die Fronten sind verkeilt

Seit dem Scheitern eines Abkommens zwischen Zentralregierung und Rebellen haben Gewaltausbrüche gegen Christen auf der philippinischen Insel Mindanao ein Flüchtlingsdrama ausgelöst. Schätzungen zufolge sind bis zu 160.000 Menschen auf der Flucht vor Einheiten der muslimischen Rebellen.

Autor/in:
Michael Lenz
 (DR)

Buchstäblich in letzter Minute hatte vor zwei Wochen das oberste Gericht eine unterschriftsreife Vereinbarung zwischen der Regierung in Manila und der "Moro Islamic Liberation Front" (MILF) gestoppt. Die Regierung habe die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen geführt und die Betroffenen nicht konsultiert, befand das Gericht - und erließ eine einstweilige Verfügung. Das Verdikt der Richter traf die Verhandlungspartner unvorbereitet - und stürzte die Philippinen in eine politische Krise.

"Versprengte muslimische Kampfeinheiten" hätten die Kämpfe der  vergangenen zehn Tage begonnen, glaubt Klaus Preschle, Repräsentant der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Manila. Sowohl die Regierung als auch die Führung der MILF hätten sich nach dem Scheitern der Unterzeichnung "rhetorisch sehr zurückgehalten". Preschle ist sich sicher: "Beide Seiten wollen das Abkommen unterzeichnen."

Der Experte der Stiftung, die die Konfliktparteien in den vergangenen Jahren immer wieder an einen Tisch gebracht hat, sieht andere Kräfte am Werk, die ein Interesse an dem endgültigen Scheitern des Friedensprozesses haben könnten. Viele der großen reichen Familien des Landes hätten seit den Tagen des Diktators Marcos großen Landbesitz in der Region erworben, und auf Seiten der Muslime gebe es einen immer stärkeren Einfluss fundamentalistischer Kreise. "Noch ist es kein Religionskonflikt zwischen Muslimen und Christen", betont Preschle, fügt aber warnend hinzu: "Wenn man über Jahrzehnte einen eigentlich lösbaren Konflikt nicht lösen kann, dann besteht die Gefahr, dass radikale Gruppen ihn ideologisieren."

Eine der ältesten Auseinandersetzungen der Welt
Die Auseinandersetzung, der wirtschaftliche Interessen im rohstoffreichen Mindanao zugrunde liegen, ist eine der ältesten der Welt: Seit mehr als 400 Jahren fühlen sich die Muslime erst von den christlichen spanischen Kolonialherren, seit Ende des 19. Jahrhunderts von den USA und dann durch die Regierung der unabhängig gewordenen Philippinen unterdrückt und durch gezielte Siedlungspolitik zur Minderheit in ihrer Region gemacht. Vor gut 100 Jahren waren noch 80 Prozent der Bevölkerung in Mindanao Muslime; heute sind es weniger als 20 Prozent.

Dass die Muslime von ihrer Forderung nach einem unabhängigen Staat abgerückt und bereit sind, eine weitgehende Autonomie zu akzeptieren, werten viele Beobachter als Fortschritt. "Von einer eigenen Fahne über die Finanz- und Wirtschaftspolitik bis hin zu Bildungsfragen sieht das Abkommen so ziemlich alle Rechte vor, die denen in unseren Bundesländern ähnlich sind", meint auch Preschle. Schon jetzt könnten Muslime ihre Kinder auf islamische Schulen schicken oder bei rechtlichen Problemen in der Familie Scharia-Gerichte in Anspruch nehmen. Die christliche Bevölkerungsmehrheit habe damit relativ wenige Probleme.

Die Schwierigkeit liegt nach Einschätzung des KAS-Vertreters vielmehr in etwas begründet, das das Abkommen nicht enthält: So seien die Rechte der Katholiken und der Anhänger anderer Religionen, die in der Region mit einem Schlag politisch zur Minderheit degradiert würden, nicht geregelt. Zum anderen sieht die Regierung in Manila die Autonomie für die Muslim-Regionen als ersten Schritt hin zu einer möglichen Einführung eines föderalen Systems. Das freilich stößt in weiten Teilen der politischen Klasse auf Widerstand.

Zudem, so befürchten selbst Befürworter einer solchen Reform, könnte die in Korruptionsskandale verwickelte Staatspräsidentin Gloria Arroyo eine mögliche Verfassungsreform zur Einführung eines parlamentarischen Regierungssystems nutzen und so die verfassungsmäßige Beschränkung der Präsidentenmacht auf zwei Amtszeiten umgehen. Ein katholischer Bischof warnte am Freitag bereits, die Kirche - die auf den Philippinen erheblichen politischen Einfluss ausübt - werde den Widerstand gegen jeden anführen, der Arroyo an der Macht halten wolle.