Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist nach zwei Jahren weiter umstritten

Bürokratiemonster oder Schritt zu mehr Gleichheit

 (DR)

Auch nach zwei Jahren scheiden sich die Geister an einem Gesetz, dessen Titel nur die besten Absichten vermuten lässt. Das im August 2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) soll Bürger vor Diskriminierungen schützen, zum Beispiel aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechts, ihrer Religion oder Herkunft. So können etwa Bewerber um eine Arbeitsstelle, die sich aus einem dieser Gründe von Unternehmen benachteiligt sehen und dafür glaubhafte Indizien vorlegen können, Klage gegen den ausschreibenden Betrieb erheben. Die zuständige Antidiskriminierungsstelle des Bundes will am Donnerstag (14.8.) erstmals Zahlen zu den Folgen des AGG für die Wirtschaft vorlegen.

Die große Koalition hatte das Gleichbehandlungsgesetz Mitte 2006 im Schnelldurchgang beschlossen, nachdem die Europäische Union (EU) Bußgelder angedroht hatte, weil die entsprechenden EU-Antidiskriminierungsrichtlinien auf nationaler Ebene nicht fristgerecht umgesetzt worden seien.

Kritiker sahen in Zusammenhang mit dem Gesetz eine Welle von Prozessen auf die Arbeitsgerichte zurollen. Die Klageflut blieb allerdings aus. Der Stuttgarter Jurist Jan Kern, der seine Doktorarbeit über die Folgen des Gesetzes schreibt, bat die 121 deutschen Arbeitsgerichte Anfang 2008 um Auskunft über behandelte AGG-Verfahren, von 88 erhielt er eine Antwort. Das Ergebnis: Im Laufe des Jahres 2007 habe jede der insgesamt 308 berücksichtigten Kammern im Durchschnitt weniger als ein AGG-Verfahren aufgrund von Klagen abgelehnter Bewerber verhandelt, berichtet Kern.

Auch das sogenannte AGG-Hopping wurde offenbar keineswegs zum Massenphänomen. Befürchtet wurde, dass sich professionelle Kläger massenhaft auf gesetzeswidrig formulierte Stellenausschreibungen bewerben könnten, nur um später gegen eine vermeintliche Diskriminierung auf Schadenersatz klagen zu können. Bei der Bundesstelle sieht man keine Anzeichen dafür, dass sich dieses «AGG-Hopping» zu einem Problem größeren Maßstabs entwickelt hätte. Allerdings gebe es offenbar einige wenige «AGG-Hopper», die sehr aktiv seien, sagt Kern.

Beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) räumt man ein, dass es die befürchtete Prozesswelle bisher nicht gegeben habe. Das Gesetz habe aber besonders bei mittelständischen Unternehmen für «sehr viel Rechtsunsicherheit gesorgt», kritisiert Hildegard Reppelmund, DIHK-Referatsleiterin Arbeits- und Wettbewerbsrecht. Für die Betriebe verursache das AGG hohe Kosten und viel Aufwand, weil sie Bewerbungsverfahren aus Angst vor Klagen stärker dokumentieren müssten, um den diskriminierungsfreien Ablauf im Zweifelsfall vor Gericht nachweisen zu können.

Auch die Überprüfung firmeninterner Dokumente und Abläufe auf mögliche Benachteiligungen sowie rechtliche Schulungen seien mit hohen Kosten verbunden, bemängelt Reppelmund. Eine Studie im Auftrag der arbeitgebernahen Initiative neue soziale Marktwirtschaft ergab im vergangenen Jahr, dass das Gesetz die Wirtschaft insgesamt rund 1,7 Milliarden Euro gekostet habe.

Beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) hält man diese Summe für gut angelegtes Geld. Schließlich hätten es die Unternehmen überwiegend für Beratungsleistungen ausgegeben und nicht für Bußgelder infolge von Schadensersatzklagen, sagt Claudia Menne, Leiterin des Bereichs Frauenpolitik beim DGB-Bundesvorstand. Durch das AGG sei bei Unternehmen und Beschäftigten ein größeres Bewusstsein für mögliche Diskriminierungen entstanden, ist sie sich sicher. So würden etwa deutlich mehr Anfragen von Frauen verzeichnet, die sich über geringere Einkommen im Vergleich zu männlichen Kollegen beschwerten und über ihre rechtlichen Möglichkeiten im Rahmen des AGG informieren wollten.

Bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes sieht man zudem über das Arbeitsrecht hinaus auch eine steigende Relevanz des Gesetzes im zivilrechtlichen Bereich. So hatte etwa das Amtsgericht Oldenburg kürzlich einen Disco-Betreiber unter Berufung auf das AGG zur Zahlung eines Bußgelds von 500 Euro verurteilt, weil ein Türsteher seines Lokals laut Urteil einen farbigen Studenten aus Kamerun wegen dessen Hautfarbe abgewiesen hatte.