SPD fürchtet bundespolitischen Folgen einer rot-grünen Minderheitsregierung in Hessen

"Ein echtes Dilemma"

In der SPD mehren sich die Bedenken gegen einen erneuten Versuch der hessischen Landesvorsitzenden Andrea Ypsilanti zur Bildung einer von der Linkspartei tolerierten rot-grünen Minderheitsregierung in Hessen. Vor allem Bundespolitiker fürchten eine Schwächung der SPD im Bund. Doch auch Landespolitiker, wie der SPD-Landeschef von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering, beuteilen das Vorgehen Ypsilantis kritisch. Ex-Parteivize Wolfgang Clement forderte mehr Befugnisse der Bundes-SPD in solchen Fragen.

Autor/in:
Martin Roy
 (DR)

Sellering, der im Oktober Ministerpräsident einer großen Koalition in Mecklenburg-Vorpommern werden soll, sagte, er könne der SPD in Hessen keinen «tollen Ratschlag» aus der Ferne erteilen. Die SPD in seinem Bundesland habe vier Jahre diskutiert, bevor sie 1998 ein Regierungsbündnis mit der PDS schloss. Nach acht Jahren habe sie die rot-rote Koalition beendet, weil diese nach der Landtagswahl nur noch eine Mehrheit von einer Stimme gehabt hätte. Das habe die SPD für nicht ausreichend gehalten. In Hessen hätte eine von der Linken tolerierte rot-grüne Minderheitsregierung voraussichtlich nur eine Mehrheit von einer Stimme, weil eine SPD-Abgeordnete angekündigt hat, gegen eine solche Regierungskonstellation zu stimmen.

Kastner, warf Ypsilanti vor, die Alternativen zu einer Minderheitsregierung nicht ernsthaft ausgelotet zu haben. Man hätte eine große Koalition ohne den amtierenden Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) probieren sollen.

Wend sagte: «Ypsilanti muss wohl bedenken, was sie mit einem solchen Schritt bundespolitisch anrichtet.» Durch ein Zusammengehen mit der Linkspartei schiebe sie die SPD «aus der Mitte in eine Außenposition».

Der frühere Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) forderte in Fragen von «nationaler Bedeutung» einen Vorrang für Entscheidungen der Bundes-SPD vor den Ambitionen regionaler Parteigliederungen. Dieses Durchgriffsrecht der Bundesspitze müsse auch den Umgang mit der Linkspartei gelten, insbesondere dann, wenn zuvor wie in Hessen eine Zusammenarbeit mit der Linken unmissverständlich abgelehnt worden sei. Auf Betreiben von Parteichef Kurt Beck hat es die SPD-Führung den Landesverbänden freigestellt, selbst über den Umgang mit der Linkspartei zu entscheiden.

Der Leiter des Landesbezirks Hessen-Thüringen der IG Bergbau Chemie Energie, Rainer Kumlehn, forderte Ypsilanti einem Bericht der «Süddeutschen Zeitung» (Samstagausgabe) auf, das Ziel einer von der Linken unterstützten Minderheitsregierung aufzugeben. «Aus meiner Sicht ist es völlig gleichgültig, ob die Regierungsbildung gelingt oder nicht: Ich vermute die hessische SPD danach für viele Jahre in einem tiefen Loch», zitierte die Zeitung aus einer E-Mail Kumlehns. Die Hessen-SPD habe auch eine Verantwortung für die Bundespartei, die seiner Ansicht nach im Fall eines neuen Anlaufs Richtung Rot-Grün-Rot «dramatisch zu leiden hätte (wenn sie es überhaupt überlebt)», schrieb Kumlehn. Die SPD solle stattdessen mit FDP und Grünen die Möglichkeiten für eine Ampelkoalition ausloten, was bisher nicht einmal halbherzig versucht worden sei. Falls dies ohne Ergebnis bleibe, solle man eine große Koalition anstreben.

Dagegen verteidigte die Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel die mögliche Bildung einer rot-grünen Minderheitsregierung. «Wenn eine Vertrauensgrundlage da ist, dann haben sie das gute Recht, sich so zu entscheiden», sagte Drohsel. Sie wies Forderungen zurück, die Bundespartei müsse ihre Beschlüsse zu Hessen revidieren und einen erneuten Anlauf Ypsilantis verhindern. «Ich verstehe nicht, dass man Beschlüsse macht und die dann gleich wieder zurückdrehen will. Wenn man so etwas beschließt, muss man auch die Konsequenzen tragen», sagte Drohsel.