Politiker und Spitzensportler fordern China zu Wahrung der Menschenrechte auf - Bischof Huber: Olympia braucht auch Geist der Freiheit

Appelle kurz vor Beginn

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke und Peter Danckert, Vorsitzender des Sportausschusses im Bundestag, haben das Internationale Olympische Komitee (IOC) kurz vor Beginn der Spiele aufgefordert, gegen Zensur und Menschenrechtsverletzungen einzutreten. Laut Nooke haben sich die Bedingungen eher verschlechtert. Bischof Wolfgang Huber forderte, das eine kritische Diskussion vom "olympischen Rummel" nicht erstickt werden dürfe.

 (DR)

Günter Nooke (CDU), hat in Peking mehr Ehrlichkeit und Mut beim Einsatz für die Menschenrechte gefordert. «Die chinesische Führung nutzt die Spiele natürlich als Darstellung für die eigenen Erfolge», sagte Nooke in einem epd-Gespräch. «Dann muss sie aber auch in Rechung stellen, das andere auf Probleme aufmerksam machen», sagte er angesichts der Festnahme von ausländischen Tibet-Aktivisten.

Vier Mitglieder der Organisation «Students for a Free Tibet» hatten an zwei Masten unweit des Nationalstadions «Vogelnest» Banner mit Forderungen für ein freies Tibet aufhängt. «Warum kann nicht auch ein so mächtiges Land wie China zulassen, dass man friedlich auf Probleme hinweist?», sagte Nooke. Der Menschenrechtsbeauftragte war am Montag in China eingetroffen und wollte am Donnerstag nach Deutschland zurückfliegen.

Den Westen forderte der Menschenrechtsbeauftragte zu mehr Differenziertheit auf. «Die Erwartungen müssen realistisch bleiben», sagte Nooke, «durch die Olympischen Spiele wird nicht ein ganzer Staat umgekrempelt werden.» Dass die Spiele stattfinden, sei auch für eine weltweite Thematisierung der Menschenrechtslage in China positiv. Der Westen müsse aufpassen, dass nicht nur negativ über die Spiele berichtet werde.

Neben der Kritik an Menschenrechtsverletzungen sollten auch die olympischen Leistungen Chinas, zum Beispiel in punkto Bauten und Logistik anerkannt werden. «Auch ich wünsche mir, dass die Spiele ein Erfolg werden», so Nooke, «aber hinter den beeindruckenden Jubelkulissen soll auch die andere Realität wahrgenommen werden.» Besonders nach den Spielen gelte es, die Menschenrechtslage nicht aus den Augen zu verlieren.

Während des Großereignisses sollten die Sportler im Mittelpunkt stehen, so Nooke. Athleten und Athletinnen, die ihre Meinung über die Lage in China äußern möchte, unterstütze er. Sie hätten das Recht auf freie Meinungsäußerung, doch sollten sich Sportler nicht als schlechtere Staatsbürger fühlen, wenn sie sich auf die Wettkämpfe konzentrieren.

Situation verschlechtert
Die Menschenrechtslage hat sich nach Nookes Einschätzung unmittelbar vor den Spielen eher verschlechtert. Kritische Vertreter der Zivilgesellschaft stünden unter Hausarrest, teilweise habe man ihm von einem Klima der Angst berichtet. Längerfristige Fortschritte bescheinigt Nooke China in den Bereichen der Armutsbekämpfung und sozialer Sicherung. Wenig Bewegung gebe es in Fragen der Meinungsfreiheit und Pekings Haltung im Menschenrechtsdialog. «China weiß sehr genau, wie stark es ist», sagt Nooke, «und meint vielleicht, nicht mehr zusagen zu müssen, als man selbst unbedingt für nötig hält.»

Bei seinem Besuch will sich Nooke insbesondere ein Bild von der Lage der Kirchen in China verschaffen. Er sieht sie als wachsende und wichtige Kraft in der chinesischen Gesellschaft. «Die Anerkennung der Rom-treuen katholischen Gemeinden und die protestantischen Hauskirchen gehört zu unseren Forderungen an Beijing im Menschenrechtsdialog», sagte Nooke. Das nächste Treffen des Austausches zwischen China und Deutschland findet im Herbst statt.

Peter Danckert (SPD), Vorsitzender des Sportausschusses im Bundestag, sagte bei N-TV zum Handeln des IOC in Bezug auf die Zensur bei den Olympischen Spielen: "Man muss sagen, dass die Möglichkeiten, die das IOC als eine ganz mächtige Organisation im Bereich des Sports aber auch der Gesellschaft hat, nicht genutzt worden sind. Ich wünsche mir von den Verantwortlichen, dass sie diese Tage auch dazu gebrauchen, mit deutlichen Worten auf die Einhaltung der Menschenrechte, der freien Meinungsäußerung hinzuwirken - es jedenfalls immer wieder betonen."

Appell der Sportler
«Der Sport kann sich nicht der Frage entziehen, was außerhalb der Wettkampfstätten passiert», begründete der dreifache Schwimm-Olympiasieger Michael Groß einen am Mittwoch veröffentlichten Appell der Sportler. Das gelte besonders bei den diesjährigen Sommerspielen, die Gastgeber China unter das Motto «Eine Welt Ein Traum» (One World One Dream) gestellt habe.

Der Appell, der von der Initiative «Sports for Peace» zusammen mit Amnesty International und der Internationalen Kampagne für Tibet initiiert wurde, erschien den Angaben zufolge auch als Anzeige in der weltweiten Mittwochsausgabe der US-Zeitung «International Herald Tribune». Zu den prominenten Athletinnen und Athleten, die bisher den Appell unterzeichneten, gehören aus Deutschland unter anderen die Olympia-Siegerinnen Yvonne Bönisch (Judo), Ulla Salzgeber (Reiten) sowie die Beachvolleyballerin Helke Claasen. Auch die mehrfache deutsche Meisterin im Fechten Imke Duplitzer sowie die Fußballweltmeisterin Silke Rottenberg schlossen sich dem Aufruf an.

Bischof Huber: Olympia braucht auch Geist der Freiheit
Vor dem Start der Olympischen Sommerspiele hat Bischof Wolfgang Huber die Absicht einiger deutscher Sportler begrüßt, die der Eröffnungsfeier in Peking fernbleiben wollen. Mit diesem Schritt demonstrierten die Athleten den olympischen «Geist der Freiheit», schreibt Huber in der Berliner Tageszeitung «B.Z» (Donnerstagsausgabe). Sie wollten sich nicht für eine «glanzvolle Selbstdarstellung» der chinesischen Führung vereinnahmen lassen.

Der olympische Geist des fairen Sports habe auch mit Zusammengehörigkeit, Völkerverständigung und Frieden zu tun, schreibt der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Dies müsse auch für Peking gelten: «Ob das gelingt, ist heute alles andere als sicher.» Zu Recht werde öffentlich über die Einschränkung der Menschenrechte, die Internetzensur und den Smog über Peking debattiert. Diese kritische Diskussion dürfe vom «olympischen Rummel» nicht erstickt werden.

Verständnis äußert der Berliner Bischof auch für Demonstranten, die vor der chinesischen Botschaft in Berlin an die Unteilbarkeit der Menschenrechte erinnern wollen. Auch sie trügen zum Gelingen von Olympia bei. «Denn die Spiele brauchen beides: den Glanz der olympischen Ringe und den Geist der Freiheit», unterstreicht Huber.

Die hannoversche Landeskirche versandte unterdessen mehr als 224.000 Protest-Armbänder gegen Verletzungen der Menschenrechte in China. Wie die evangelische Landeskirche mitteilte, habe es Bestellungen auch aus Indien, Frankreich, Italien oder Polen gegeben. Ursprünglich sollten die schwarzen Silikon-Armbänder gegen eine Spende nur in einer Auflage von 2.000 Stück verschenkt werden. Die Aktion stieß aber bei Schulklassen, Sportvereinen oder Kirchengemeinden auf große Resonanz.

Auf die anhaltende Verletzung der Menschenrechte im Olympialand China wollen Tibet-Initiativen ab diesen Donnerstag zudem mit einem bundesweiten «Protestival» aufmerksam machen. Geplant sind in den nächsten 17 Tagen rund 50 Aktionen in 30 Städten, darunter auch in Berlin, München und Frankfurt.

Der Europa-Gesandte des Dalai Lama, Kelsang Gyaltsen, nannte es im Deutschlandfunk paradox, dass in Peking fröhlich die Spiele abgehalten würden, während in Tibet praktisch Kriegszustand herrsche. Seit den Unruhen im März und April habe China seine «patriotische Erziehungskampagne» in Tibet verstärkt. Tibeter müssten in Klöstern, am Arbeitsplatz und in der Schule ihre totale Loyalität gegenüber der kommunistischen Partei und der chinesischen Herrschaft in Tibet zum Ausdruck bringen. Außerdem müssten sie sich vom Dalai Lama distanzieren, was viele Tibeter jedoch verweigerten. Daher komme es laufend zu neuen Verhaftungen.