Da es sich also um ein schwebendes Verfahren im Rahmen der innerparteilichen Schiedsgerichtsbarkeit handele, werde sich der SPD-Parteivorstand in der Sache nicht wertend äußern, sondern lediglich Fragen zum Verfahren beantworten, hieß es weiter. Die innerparteiliche Schiedsgerichtsbarkeit der SPD sei - wie im Parteiengesetz vorgesehen - in ihrer Entscheidung unabhängig und nicht an Weisungen gebunden.
Die Schiedskommission der Bochumer SPD hatte Clement im April eine Rüge wegen Verstoßes gegen die Regeln der innerparteilichen Solidarität erteilt, einen Parteiausschluss aber abgelehnt. Beide Streitgegner gingen dagegen in Revision. Der frühere Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen hatte dabei angedeutet, dass er im Falle eines Parteiausschlusses die SPD-Bundesschiedskommission anrufen wolle.
Clement hatte sich im hessischen Landtagswahlkampf den Unmut seiner Partei zugezogen, weil er indirekt dazu aufgerufen hatte, die SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti wegen ihrer Energiepolitik nicht zu wählen. Führende SPD-Politiker bezeichneten den früheren Bundeswirtschaftsminister als Lobbyisten der Atomindustrie.
Eppler begrüßt möglichen Parteiausschluss
Der SPD-Vordenker Erhard Eppler begrüßt den möglichen Parteiausschluss Clements. «Bewusst parteischädigendes Verhalten ist in der Geschichte der SPD immer so gehandhabt worden», sagte Eppler der «Rheinischen Post». «Ich halte die Entscheidung für nachvollziehbar.» Clement habe sich mit seinen parteikritischen Äußerungen im Vorfeld der hessischen Landtagswahl selbst ins Abseits gestellt. «Ein Mann, der in fast allen wichtigen Punkten anderer Meinung ist als seine Partei, braucht nicht mehr Parteimitglied zu sein.»
Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Wend nannte die Entscheidung «unfassbar und grotesk». Dass ein solch «verdienter Politiker» wegen kritischer Äußerungen aus der Partei ausgeschlossen werde, sei ein «verheerendes Signal». Der Leipziger Bundestagsabgeordnete Gunter Weißgerber (SPD) drohte mit Parteiaustritt, sollte Clement aus der Partei ausgeschlossen werden. «Dann gehe auch ich», betonte Weißgerber.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Reinhard Schultz schrieb in einem Brief an den SPD-Chef Kurt Beck, die Entscheidung sei «lächerlich und beängstigend» zugleich. Lächerlich, weil ein angesehener Spitzenpolitiker von ein paar «wichtigtuerischen Funktionärscretins gegen den Willen der eigenen Parteiführung» ausgeschlossen werden solle. Beängstigend, weil «damit ideologische Säuberungsaktionen in der SPD Platz greifen, die an den Wohlfahrtsausschuss der französischen Revolution oder die Praxis in Kommunistischen Kaderparteien erinnert.»
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Michael Müller (SPD), sagte, Clement sei zwar mit seinen Äußerungen in den vergangenen Monaten immer wieder «völlig unpolitisch» gewesen, das sei aber kein Grund, ihn aus der Partei auszuschließen. Auch der ehemalige hessische Ministerpräsident und Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) findet den Rauswurf seines früheren Kabinettskollegen angesichts von Clements «Lebensleistung» unangemessen.
Die NRW-Landesvorsitzende Hannelore Kraft wollte sich nicht inhaltlich äußern. «Persönlich bedauere ich es aber, dass es so weit kommen musste», sagte sie in Düsseldorf. Der Vorsitzende von Clements SPD-Ortsvereins Bochum-Hamme, Rudolf Malzahn, sagte: «Wir sind hocherfreut. Wolfgang Clement musste bestraft werden.» Clement sei der Partei im hessischen Landtagswahlkampf «in den Rücken gefallen».
Auch Schleswig-Holsteins SPD-Landeschef Ralf Stegner begrüßte die Entscheidung. Clement habe der Partei im hessischen Landtagswahlkampf, «bewusst schwer geschadet». «Wer fortgesetzt auf das eigene Tor schießt, sollte den Verein verlassen.»
Auch SPD-Vorstandsmitglied Hermann Scheer sieht in dem Parteiausschluss-Verfahren kein Signal für eine Beschneidung der innerparteilichen Meinungsfreiheit. Der SPD-Vordenker Erhard Eppler sagte, «bewusst parteischädigendes Verhalten ist in der Geschichte der SPD immer so gehandhabt worden».
Hessens SPD-Chefin Andrea Ypsilanti wollte die Entscheidung nicht kommentieren. Es handele sich um eine Angelegenheit der nordrhein-westfälischen Sozialdemokraten, sagte der Sprecher der Hessen-SPD, Frank Steibli, auf Anfrage. Auch die Jusos wollten auf Anfrage keinen Kommentar abgeben.
CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla wertete den Rauswurf als Absage an Reformen. «Es wird gnadenlos alles aussortiert, was mit den Reformen der Agenda 2010 zu tun hat, nicht nur programmatisch, sondern auch personell». CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer sprach von einem «Angriff auf die Meinungsfreiheit». Der Bundesvorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, bezeichnete den Rauswurf als «desaströses Zeichen».
Die FDP würde Clement eine «neue politische Heimat» anbieten. FDP-Vize Rainer Brüderle: «Wir empfangen ihn mit offenen Armen.»
NRW-Landesschiedskommission für Parteiausschluss Clements - Entsetzen und Zustimmung
Genosse a.D.?
Die nordrhein-westfälische Landesschiedskommission der SPD hat sich für einen Parteiausschluss von Wolfgang Clement entschieden. Das teilte am Donnerstag ein Sprecher des SPD-Parteivorstands in Berlin mit. Diese Entscheidung sei "allerdings nicht unmittelbar rechtskräftig", da der frühere SPD-Bundesvize dagegen Berufung bei der Bundesschiedskommission einlegen könne. Die Reaktionen sind höchst unterschiedlich.
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