Mit rotem Kopf und außer Atem eilt Hanspeter Bethke durch die verwinkelten Wege des Pfarrgartens im brandenburgischen Saxdorf - vorbei an rosa Lilien und lila Pflox. Stolz zeigt der Gärtner auf einen Mammutbaum: Eine Rentnerin hat ihm zu DDR-Zeiten heimlich zwei Zapfen aus der Schweiz mitgebracht. Den Samen für den asiatischen Papiermaulbeerbaum steuerten Freunde aus Bulgarien bei. "Jede Pflanze hat ihre Geschichte", erzählt Bethke. Unter dem misstrauischen Blick des DDR-Regimes trug er rund 3000 Pflanzensorten aus aller Welt zusammen.
Mit 73 Jahren werde er langsam zu alt, so Bethke. "Es wird nicht ewig so weiter gehen, ich brauche dringend einen Nachfolger", betont er. Die Sache hat aber einen Haken: Bezahlen kann Bethke einen neuen Gärtner nicht. "Es gibt kein Geld", bedauert er. Für das Projekt gebe es keine Fördermittel. Den Garten habe er quasi in seiner Freizeit angelegt. Auch die heruntergekommene Dorfkirche aus dem 13. Jahrhundert habe er ohne Lohn restauriert.
"Es war zu DDR-Zeiten sehr schwierig, an Pflanzen zu kommen"
Seit den 1960er Jahren verdient Bethke sein Geld als Restaurateur und Maler. Zunächst lebte er in Halle, pflegte liebevoll seinen Schrebergarten. "Leider wurde er plattgemacht und Hochhäuser wurden errichtet", erinnert sich der Künstler. Zu dem Zeitpunkt hatte sein Freund Karl-Heinz Zahn gerade seine erste Stelle als Pfarrer in Saxdorf angetreten und berichtete von einem verwilderten Garten. Bethke nutzte die Chance: Er packte 1967 so viele Pflanzen wie möglich in eine Reisetasche und stieg in die Eisenbahn.
Auf dem rund 10 000 Quadratmeter großen Grundstück in Saxdorf hatte die Staatspartei SED für den Bau eines Entwässerungsgrabens bis auf zwei Kirschbäume alle Bäume fällen lassen. "Und es war zu DDR-Zeiten sehr schwierig, an Pflanzen zu kommen", sagt Bethke. Doch die Menschen hätten einander geholfen und Ableger getauscht oder Samen verschenkt. Zu seiner Sammlung gehören jetzt über 300 Rosensorten. In dem naturnah angelegten Garten blüht zu jeder Jahreszeit etwas.
Von 1974 an veranstaltete Bethke gemeinsam mit Zahn Konzerte in der Kirche, zu der Künstler von nah und fern anreisten. Um die Honorare bezahlen zu können, verkaufte der Pfarrer am Leipziger Bahnhof selbst gebundene Blumensträuße. Bei den Konzerten hätten stets Stasi-Mitarbeiter im Publikum gesessen, berichtet Bethke. "Wir wurden ganz schön bespitzelt." Es sei der SED ein Dorn im Auge gewesen, dass außerhalb ihres Einflusses Kulturarbeit geleistet worden sei. Nach dem Fall der Mauer 1989 wurde die finanzielle Situation für die beiden kaum besser: "Die Menschen hatten keinen Sinn mehr für Kultur, sie hatten andere Probleme."
Heute finanzieren sich die zwei Freunde durch die Eintrittsgelder für den Garten und die Konzerte - zu den jüngsten Höhepunkten gehört ein Auftritt der Dresdner Philharmoniker. Reich werden sie dadurch nicht, aber glücklich. "Wenn etwas wächst, ist das etwas sehr Aufregendes", findet Bethke. Er hofft nun auf die Hilfe von Politik oder Sponsoren, damit der Pfarrgarten weiter bestehen kann. Ganz wohl ist ihm bei dem Gedanken an seinen Ruhestand nicht: "Das ist ein komisches Gefühl."
Der Pfarrgarten ist mittwochs, samstags und sonntags von 10.00 bis 18.00 Uhr geöffnet, der Eintritt kostet zwei Euro.
Pfarrgarten-Attraktion mit 3000 Pflanzensorten
Die ganze Welt in einem Garten
Der botanische Pfarrgarten im brandenburgischen Saxdorf gilt als Geheimtipp: Etwa 6000 Besucher aus ganz Europa reisen jedes Jahr in das 150-Seelen-Dorf im Süden des Bundeslandes, um durch den Garten zu schlendern. Doch Gärtner Hanspeter Bethke hat Angst um sein Lebenswerk.
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