Deutschland braucht viele Hunderttausend Fachkräfte

Nur qualifizierte Ausländer willkommen

Die Bundesregierung will hochqualifizierte Ausländer anwerben und zugleich Geringqualifizierten den Zugang zum hiesigen Arbeitsmarkt weiter verwehren. Der Unions-Innenexperte Hans-Peter Uhl kündigte am Montag an, die Koalition werde die sogenannte Freizügigkeit für unqualifizierte Billiglöhner aus den neuen osteuropäischen EU-Staaten um weitere zwei Jahre bis 2011 verschieben. Fachkräfte sollen dagegen unterstützt werden.

Autor/in:
Peter Kosfeld
 (DR)

"Wenn es sich um Ausländer handelt, die wir brauchen, dann tun wir etwas für sie und ihre Familien", sagte der CSU-Politiker.

Geduldete Akademiker und Facharbeiter sollen laut Uhl bereits dann eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erhalten, wenn sie zwei Jahre lang in Deutschland in ihrem erlernten Beruf gearbeitet haben. Zudem solle die Verdienstgrenze, von der an sich Spezialisten aus dem Ausland nicht mehr einer Prüfung durch die Bundesagentur für Arbeit unterziehen müssen, von 86 400 auf 63 600 Euro gesenkt werden. Unterhalb dieser Schwelle gelte die Vorrangprüfung. Das heiße: Ein Zuwanderer aus einem Nicht-EU-Staat bekomme einen Job erst, wenn sich kein Deutscher und kein Bürger eines anderen EU-Staates dafür finde.

Deutschland braucht viele Hunderttausend Fachkräfte
Der Vorsitzende des Verwaltungsrats der Bundesagentur für Arbeit, Peter Clever, hat sich dagegen für eine Ausweitung der Zuwanderung in Deutschland ausgesprochen. «Um die Fachkräfte-Lücke zu schließen, sind in den kommenden fünf Jahren mehrere Hunderttausend qualifizierte Zuwanderer notwendig», sagte Clever der «Rheinischen Post». Die geplanten Erleichterungen der Bundesregierung für Zuwanderer seien nur ein «erster Schritt». «Die Mindesteinkommensgrenzen für Akademiker-Einwanderer, die sich nicht einer Prüfung der BA unterziehen müssen, sollten auf 45 000 Euro heruntergesetzt werden.»

Eine qualifizierte Zuwanderung liege im Interesse Deutschlands, betonte der Arbeitgebervertreter im Verwaltungsrat der BA. «Diese Menschen sind Problemlöser und schaffen Beschäftigung in Deutschland. Außerdem geben sie wertvolle Einblicke in Verhaltensweisen und Denkmuster der anderen Länder.» Das sei für eine Export-Nation existenziell, betonte Clever. «Wir müssen endlich lernen, dass Zuwanderung kein Geschenk der großzügigen Deutschen an die Ausländer ist, sondern eine Selbstverständlichkeit, wenn wir wirtschaftlich weiterhin erfolgreich sein wollen.»

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach sich derweil für eine stärkere Steuerung der Zuwanderung in die Europäische Union (EU) nach den Erfordernissen der nationalen Arbeitsmärkte aus. Wie viele Menschen eine Arbeitserlaubnis erhielten, bleibe eine Frage der EU-Mitgliedsstaaten, sagte Schäuble und fügte hinzu: «Das müssen die für den Arbeitsmarkt Verantwortlichen entscheiden können.» Dies sei auch die «klare Position der Bundesregierung», betonte Schäuble mit Blick auf das informelle Treffen der EU-Innenminister in Cannes.

Unterstützung aus dem DGB
Der DGB begrüßte das Vorhaben, den Zuzug qualifizierter Fachkräfte zu erleichtern, forderte jedoch faire Bedingungen. So sei die Bundesregierung gefordert, «soziale Verwerfungen am Arbeitsmarkt durch die EU-Dienstleistungsrichtlinie und die vollständige Arbeitnehmerfreizügigkeit ab 2011 zu verhindern», sagte DGB-Vorstand Annelie Buntenbach.

Die Dringlichkeit für Mindestlöhne stelle sich umso mehr, als die EU-Dienstleistungsrichtlinie bis Ende 2009 umgesetzt werden müsse. Auch sei nach 2011 keine Verschiebung der Arbeitnehmerfreizügigkeit mehr möglich. Der DGB sei für die Arbeitnehmerfreizügigkeit als Grundrecht in Europa, es müsse aber verhindert werden, dass Beschäftigte «zu Hungerlöhnen arbeiten müssen», sagte die Gewerkschafterin.

Die Grünen warnten derweil vor einer Politik der Abschottung innerhalb Europas. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte, es sei nicht nachvollziehbar, warum die Koalition sich vor Arbeitnehmern aus den neuen EU-Staaten fürchte und sie länger von der Freizügigkeit ausschließen wolle. Dies würde die Akzeptanz Europas in den neuen EU-Ländern schwächen. Die Grünen-Arbeitsmarktexpertin Brigitte Pothmer monierte, statt sich den neuen osteuropäischen EU-Staaten zu öffnen, mache die Koalition «dicht».