Hinter Benedikt XVI. liegen bewegte sechs Monate

Sommerpause

Das günstige Klima der Albaner Berge zeigt bereits Wirkung: Während in Rom drückende Hitze herrscht, präsentierte sich Papst Benedikt XVI. beim Angelusgebet am Sonntag in seinem Sommersitz gelöst und in sichtlich guter Verfassung. Seit Mittwochabend hält sich der Papst im kühleren Castelgandolfo auf.
Doch das ist keineswegs mit Urlaub zu verwechseln: In Vorbereitung auf den Weltjugendtag in Sydney gibt es vermutlich viel zu tun. Der Besuch in Australien vom 12. bis 21. Juli wird die bisher längste - und mit Blick auf die Flugdauer von 21 Stunden wohl auch anstrengendste - Reise des 81-jährigen Kirchenoberhaupts.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)

Hinter Benedikt XVI. liegt bereits ein bewegtes erstes Halbjahr. Gleich im Januar war Krisenmanagement gefragt, als eine Gruppe kirchenkritischer Professoren und Studenten in Italien eine Kraftprobe zwischen Laizismus und Vatikan anzettelten. Ihr Protest gegen einen geplanten Besuch des Papstes an der römischen Universität «La Sapienza» wurde über Wochen zu einem nationalen Top-Thema. Benedikt XVI. trat von der Einladung zurück - und gab damit einer breiten Welle von Solidaritätsbekundungen Raum.

Seit diesem Eklat herrscht zwischen Italien und dem Vatikan augenscheinlich Frieden. Unter den großen politischen Baustellen der neuen Regierung Berlusconi war bislang keine, die einen Streit mit der Kirchenleitung heraufbeschwören konnte. Und mit dem Rücktritt des streitbaren römischen Kardinalvikars Camillo Ruini Ende Juni ging nun endgültig der Mann von der Bühne, der als Episkopatsvorsitzender von 1991 bis 2007 gerne und gewieft Politik machte. Die Ernennung von Kardinal Agostino Vallini als sein Nachfolger im Bistum nahm man unaufgeregt zur Kenntnis.

Die größte internationale Aufmerksamkeit erntete der Papst mit seiner USA-Reise vom 15. bis 21. April. Schon bei einer Pressekonferenz im Flugzeug schnitt er das Thema an, das vielen auf den Nägeln brannte: Die Missbrauchs-Skandale, die nach dem Höhepunkt der Krise noch immer viele US-Bistümer belasten - moralisch und ökonomisch. Benedikt XVI. äußerte sich «tief beschämt» und forderte einen konsequenten Ausschluss von Priesterkandidaten mit pädophilen Neigungen; zugleich nahm er den Klerus gegen Generalverdacht in Schutz. Nach diesem Auftakt fiel der offizielle Besuchsanlass, eine Grundsatzrede am Hauptsitz der UNO, fast ein bisschen in den Schatten. Als dichtestes Bild blieb der betende Papst an Ground Zero im Gedächtnis der Medien - ein stiller, ernster Mann am Ort des Terrors.

Auch innerhalb Italiens pflegt Benedikt XVI. die Kontakte: Am 17.
und 18. Mai unternahm er eine Visite in die Riviera-Bistümer Savona und Genua. Die entgegengesetzte Richtung steuerte der Papst am 14.
und 15. Juni mit einer Reise nach Leuca und Brindisi an. Dort, am strukturschwachen Ende des italienischen Stiefels, versuchte er den Resignierten christlichen Mut für die Zukunft zuzusprechen.

Bei den Papstmessen in Apulien kam auch die traditionelle Kommunionbank wieder zum Einsatz, die prompt Spekulationen über das Verhältnis Benedikt XVI. zur Tradition belebte. Das Thema tridentinische Liturgie blitzte im vergangenen Halbjahr verschiedentlich auf, besonders beim Streit um die vom Papst geänderte Karfreitags-Fürbitte für die Juden im alten Messformular.
Kurienkardinal Walter Kasper, Chefbeauftragter für den Dialog mit dem Judentum, und der Papst taten ihr Bestes, um den Eindruck einer neuen Judenmission auszuräumen. Den Rückzug prominenter jüdischer Mitwirkender vom deutschen Katholikentag in Osnabrück konnten sie nicht verhindern.

Neue Nahrung bekam die Traditionalisten-Debatte durch die Errichtung einer eigenen Pfarrei für Anhänger der alten Messe in Rom sowie durch den - fehlgeschlagen - Versuch, die mit Rom zerstrittenen Traditionalisten der Pius-Bruderschaft per Ultimatum zum Einlenken zu bewegen. Ob deren Leiter, Bischof Bernard Fellay, unauffällig in Castelgandolfo zu einem Gespräch mit Benedikt XVI. zusammenkommt, steht dahin. Schon mehrfach erlebte der beschauliche Sommersitz delikate Gespräche, etwa mit dem exzentrischen Erzbischof Emmanuel Milingo oder mit Hans Küng.

Auch ohne dies wird dem Papst nicht langweilig. Noch immer wartet die Öffentlichkeit auf eine Enzyklika, die von Globalisierung und Sozialethik handeln soll. Manche hatten mit diesem dritten großen Lehrschreiben schon im Frühjahr gerechnet. Ebenso lässt der zweite Teil des Papst-Buchs «Jesus von Nazareth» auf sich warten. Aber auch die Weltbischofssynode im Oktober will vorbereitet sein, und vorher stehen noch Reisen nach Sardinien und Frankreich an. Auch wenn Benedikt XVI. sich nach der Australien-Reise vom 28. Juli bis zum 11. August in seine Ferien nach Brixen begibt, werden wie üblich etliche Kilo Bücher und Akten mit im Gepäck sein.