Konferenz zur Rolle der Frau im Islam

Mehr als eine Kopftuch-Frage

Männer haben hier wenig zu sagen, auch auf dem Tagungsprogramm sind nur Referentinnen aufgeführt. Bei der Konferenz "Women Power in Islam" der Friedrich-Ebert-Stiftung in Köln kann man beobachten, wie sich ein Szene muslimischer Feministinnen formiert. Auch wenn nicht jeder der 150 Teilnehmerinnen die Punkte des Programm gefallen.

Autor/in:
Martina Gnad
 (DR)

Es ist der Vortragstitel, der der jungen Frau ohne Kopftuch überhaupt nicht gefällt: "Warum Frauen im Islam eine Rolle spielen." Sie empört sich: "Es sollte doch eher heißen: Warum spielen die Männer so eine Rolle im Islam? Wir Frauen schreiten doch vorwärts, es sind die Männer, die uns und den Islam zurückhalten." Insgesamt aber sind die Teilnehmerinnen froh: "So werden wir endlich einmal gehört."

Das Zusammentreffen islamischer Feministinnen aus aller Welt steht unter der Schirmherrschaft der türkischstämmigen SPD-Abgeordneten Lale Akgün, die aus Krankheitsgründen passen musste. Die FES richtet die Konferenz bereits zum zweiten Mal in Köln aus. Zur Premiere im März 2007 waren mehr als 200 islamische Frauen gekommen. Offenbar besteht Gesprächsbedarf über ein Thema, das in Deutschland vor allem Nicht-Muslime gern diskutieren: die Stellung der Frau im Islam. Erst vor wenigen Wochen hatte der religionskritische "Zentralrat der Ex-Muslime" eine strikte Trennung von Staat und Religion und mehr Rechte für Frauen gefordert.

Die Frauen sind Muslimin und wollen das auch bleiben
Die FES will einen anderen Weg gehen: "Die Frauen, die hier diskutieren, sind Muslimin und wollen das auch bleiben", so Koordinator Johannes Kandel. Was sie seiner Meinung nach nicht wollen: sich zwischen Gleichberechtigung und Glauben entscheiden zu müssen.

Das aber sei immer noch Realität in vielen Ländern, beklagt eine Frau aus dem Sudan: "In meinem Land gilt die Scharia. Muslimin bin ich von Geburt aus, ich habe mir das nicht ausgesucht." Wenn Männer es darauf anlegten, könnten sie jede Ungerechtigkeit mit einer Sure aus dem Koran rechtfertigen. Daher bestehe für Frauen nur eine einzige Lösung: die Trennung von Staat und Religion. Ihre Glaubensschwester aus der Türkei sieht das anders. "Es handelt sich doch genauso um Zwang, wenn ich das Kopftuch in der Öffentlichkeit nicht tragen darf", findet sie.

Die marokkanische Rechtwissenschaftlerin Malika Benradi kennt das
Problem: Muslimische Frauen haben durchaus verschiedene Vorstellungen und Wünsche. Sie selbst ist seit mehr als zehn Jahren in Frauenrechtsbewegungen aktiv und erinnert sich gut an die
Anfänge: "Da haben sich erstmal alle angekeift, weil einige ein Kopftuch trugen und andere nicht." Gott sei Dank sei man da heute weiter. Das sieht auch Alia Hogben vom kanadischen "Council of Muslim Women" so. In Kanada gebe es muslimische Einwanderer aus allen nur denkbaren Nationen. Zwar sei die Integration im Vergleich zu Deutschland leichter, da Kanada ein Einwandererland sei. Dafür gebe es einen starken Kampf innerhalb des Islam, zum Beispiel um die richtige Auslegung des Koran: Ist er nun das unabänderliche Wort Gottes oder ein Text, der auch interpretiert werden darf?

In Deutschland kann man kritisch über den Islam reden
Weg von den Emotionen, hin zu mehr Wissenschaftlichkeit: "Bei der ersten Tagung im vergangenen Jahr dominierten Erfahrungsberichte", erinnert sich Kandel. Diesmal will die FES die Debatten stärker strukturieren und setzt auf feste Themen und Workshops. Auf dem Programm stehen etwa theoretisch ausgerichtete Erörterungen zu Scharia, Familie oder Erziehung muslimischer Mädchen. Konkrete Lösungen könnten in zwei Tagen nicht gefunden werden, meint Kandel. Dass es überhaupt offene Diskussionen gebe, sei schon ein Fortschritt. Auch Benradi sieht hier die Chance der Veranstaltung: In Deutschland und Europa könne man kritisch über den Islam reden. In vielen Herkunftsländern der Frauen sei das gar nicht möglich.

Die amerikanische Koranwissenschaftlerin Amina Wadud setzt ebenfalls auf Dialog: "Wir kommen aus verschiedenen Ländern, Schichten, haben einen unterschiedlichen Bildungsgrad. Aber wir alle haben das gleiche Ziel: Gleichberechtigung." Viele Probleme könne man nur im jeweiligen Land lösen, nicht im internationalen Kontext. Aber letztlich sei es wie bei einem Haus: "Einer zieht die Wände hoch, der andere deckt das Haus. Wichtig ist nur, dass es am Ende steht."