Wie ein Vulkan die Menschen auf Java belastet

Im Schlamm versunken

Nichts kann den Schlamm stoppen: Nicht das Flehen der Imame zu Allah, nicht die Gebete christlicher Priester. Umsonst sind die Hühner und Ziegen gestorben, die Schamane zur Besänftigung der Naturgewalten geopfert haben. Vergeblich auch die Bemühungen der Wissenschaftler und Ingenieure. Der seit zwei Jahren pausenlos aus einem unterirdischen Schlammvulkan auf der indonesischen Insel Java quellende Dreck lässt sich auch mit technischen Mitteln nicht stoppen.

Autor/in:
Michael Lenz
 (DR)

150.000 Kubikmeter Schlamm speit die Erde seit Ende Mai
2006 jeden Tag aus - genug, um 60 olympische Schwimmbecken zu füllen.

Lusi haben die Anwohner das Ungeheuer getauft - eine Wortschöpfung aus dem indonesischen Wort Lumpur für Schlamm und Sidoarjo, dem Namen der betroffenen Region. Inzwischen hat Lusi auf einer mehr als 800 Hektar großen Fläche 16 Dörfer und 24 Fabriken unter einer bis zu 18 Meter dicken Schlammschicht begraben. Mehr als 40.000 Menschen haben Haus, Hof und ihre Lebensgrundlage verloren.

Die Betroffenen, und mit ihnen viele Wissenschaftler, sind davon überzeugt, dass eine Ölbohrung des Unternehmens Lapindo Brantas Schuld an der Misere ist. Lapindo Brantas gehört zum Firmenimperium von Aburizal Bakrie, zugleich indonesischer Sozialminister. Das Unternehmen weist den Vorwurf von sich. Es sieht ein Erdbeben, das kurz vorher im 300 Kilometer entfernten Yogyakarta 6.000 Menschenleben forderte als Ursache für den Schlammausbruch.

Opfer warten noch immer auf Entschädigungen
Tausende Lusi-Opfer warten noch immer auf die Entschädigung, die das Unternehmen ihnen auf Anweisung der indonesischen Regierung zahlen soll. "Lapindo erfindet immer neue Ausflüchte, um die Auszahlung zu verzögern", sagt der Bürgerrechtler Win, der sich um die Interessen der Betroffenen kümmert.

Da sind etwa Ajis und seine Frau Muslikah. Sie leben mit vier erwachsenen Kindern in einem zehn Quadratmeter großen Bretterverschlag auf dem Marktplatz des Dörfchens Porong. "Seit einem Jahr und zwei Monaten", wie Ajis genau weiß. Das Schicksal teilen sie mit 680 anderen Familien in dem Notlager. Die Menschen weigern sich, die Entschädigung zu akzeptieren, die nur als Ersatz für Haus und Grundstück gedacht ist - nicht aber für den Verlust der Lebensgrundlage wie der Schreinerei von Ajis. Er fordert: "Statt Geld für die Miete neuer Häuser sollten die Mittel für den Kauf von Land und den Bau neuer Dörfer verwendet werden, damit wir wieder leben und arbeiten können, wie wir es gewohnt sind."

Gespenstische Ruhe
Der Schlammsee liegt in einer gespenstischen Ruhe da. Hinter einem notdürftig aufgeschütteten Damm, der die Schlammfluten von weiterer Ausbreitung abhalten soll, erstreckt sich eine schier endlose, bleigrau Fläche. Es riecht nach Schwefel, die tropische Hitze wird zusätzlich durch den zwischen 80 und 100 Grad heißen Dreck aufgeheizt. Hier und da ragen ein paar Häusergiebel aus dem See. In der Ferne steigt weißer Dampf auf. "Das ist das Bohrloch. Da kommt der Schlamm her", sagt der 20-jährige Imam, der sich ein Zubrot durch den Verkauf von DVDs mit Lusi-Videos verdient.

Und dann ist da noch das Gas. An mindestens 80 Stellen in dem gigantischen Schlammsee strömen Schwefelwasserstoff und Methan aus der Erde. Unsichtbar. Über die Herkunft des Gases wird gestritten.
Andang Bachtiar, ein Geologe aus der 20 Kilometer entfernten Millionstadt Surabaya, meint, der Druck der Schlammmassen verursache Risse im Erdboden, durch die Methan aus der Erdkruste entweiche. Die Behörden sehen jedenfalls keinen Handlungsbedarf - etwa die Evakuierung der bedrohten Dörfer -, solange die Ursache der Gasaustritte nicht geklärt ist. "Das ist ein Skandal", empört sich Win. "Methan ist sehr gefährlich. Da ist es doch egal, woher es stammt."