Zweijährige Haftstrafe wegen Überfall auf Künstler in Halberstadt - Kritik am Verfahren

Ungesühnte Tat

Knapp ein Jahr nach dem Überfall auf eine Theatergruppe in Halberstadt ist der 23-jährige Hauptangeklagte zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Christian W. habe den ersten Schlag gesetzt und damit die Initiative ergriffen, erklärte das Gericht am Mittwoch in Magdeburg. Die drei Mitangeklagten im Alter von 23 bis 29 Jahren wurden mangels Beweisen freigesprochen. Kritik am Verfahren kommt von den Opfern.

 (DR)

Der Haftbefehl für Christian W. bleibe aufgehoben, weil keine Fluchtgefahr bestehe, sagte der Vorsitzende Richter Holger Selig. Christian W. wurde wegen gefährlicher Körperverletzung «in drei zusammenhängenden Fällen» verurteilt. Das Strafmaß lag sechs Monate unter der von der Staatsanwaltschaft geforderten Haftzeit. Der Verteidiger hatte ein Jahr Freiheitsstrafe wegen Körperverletzung beantragt.

Das Gericht habe keine Hinweise festgestellt, dass W. aus einem rechtsradikalen Motiv heraus gehandelt hätte, erläuterte Selig. Bei den Mitangeklagten seien es nur «Freisprüche zweiter Klasse». Es gebe «belastende Momente», die aber nicht hätten bewiesen werden können.

Angeklagt waren die vier jungen Männer wegen gefährlicher Körperverletzung. Laut Anklageschrift griffen sie nur deshalb an, weil die Täter die Theaterleute aufgrund ihres Aussehens der linken Szene zugeordnet hätten. Bei dem Überfall auf ein Ensemble des Nordharzer Städtebundtheaters am 9. Juni 2007 wurden fünf Mitglieder aud offener Straße verletzt, einige schwer. Die Tat hatte auch wegen des nachlässigen Handelns der Polizei bundesweit Empörung ausgelöst. Die Polizeiführung räumte ein, dass die alarmierten Beamten nur zögerlich eingegriffen und die Täter nicht verfolgt hätten.

Halberstadts Oberbürgermeister Andreas Henke (Linke) reagierte mit Enttäuschung auf das Urteil. Nach Polizeipannen und erst sehr spät aufgetauchten Ermittlungsakten sei der Urteilsspruch «nicht überraschend, aber ein fatales Signal» für die Opfer und alle gegen rechte Gewalt engagierte Menschen, erklärte Henke. Dennoch sei im Zuge des Prozesses der Blick für die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und Gewalt geschärft worden.

Theaterintendant André Bücker hatte noch vor dem Urteil seine massive Kritik am Verfahren bekräftigt. Es sei eine «Katastrophe», wenn die Staatsanwaltschaft Anklage erhebe und erst im Lauf des Prozesses feststelle, dass es keine Beweise gebe. Zudem habe der rechtsextreme Hintergrund der Angeklagten in der Verhandlung überhaupt keine Rolle gespielt.