"Gnadenlos voll" - Soldaten aus 40 Ländern haben teilgenommen

Soldatenwallfahrt nach Lourdes

Mit einer Messe ist am Sonntag die 50. Internationale Soldatenwallfahrt in Lourdes zu Ende gegangen. Zum Jubiläumstreffen waren fast 25.000 Soldaten und Armee-Mitarbeiter aus rund 40 Nationen in dem südfranzösischen Marienwallfahrtsort zusammengekommen. Militärdekan Johann Meyer ist jetzt erschöpft. "Ich brauche jetzt erst mal eine Zigarette", seufzt er. Seit Monaten sei er im Stress gewesen; und seit die Sonderzüge der Bundeswehr am Mittwoch nach Südfrankreich aufbrachen, schiebt er 24-Stunden-Schichten.

 (DR)

Meyer ist der hauptverantwortliche Pilgerleiter für die Deutschen bei der 50. Internationalen Soldatenwallfahrt nach Lourdes. Das jährliche Treffen von Soldaten aus aller Welt wurde 1958 begründet. Doch dieses Jahr sei alles anders, seufzt Meyer. Denn nicht nur die rund 25.000 Soldaten aus fast 40 Nationen haben ein Jubiläum zu feiern. Auch die Marienerscheinungen in der Grotte von Lourdes jähren sich zum 150.
Mal.

«Lourdes ist gnadenlos voll», so Meyer: «keine Besenkammer mehr zu mieten». Und auch routinierte Lourdes-Pilger bestätigen: So viele Menschen haben sich noch nie durch die schmalen Straßen der Altstadt und an den zahlreichen Souvenirshops vorbeigeschoben. Bahnstreiks in Frankreich, ein völlig neuer Programmablauf und strömender Regen machten dann das Chaos für die Organisatoren perfekt.

Von all dem Stress hinter den Kulissen ahnen die meisten der 1.500 deutschen Teilnehmer nichts. Als Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) am Samstag ein Friedensdorf eröffnet und anschließend zu seinen rund 1.000 Soldaten spricht, bejubeln die ihn wie einen Rockstar. Oberfeldwebel Magdalena Maria Gorska darf später sogar ein Foto mit «ihrem Chef» machen. «Ich finde das alles so toll», schwärmt die junge blonde Frau. Überhaupt sei die Kameradschaft hier einmalig; so einen Zusammenhalt habe sie zuletzt im Einsatz in Afghanistan erlebt.

Seelsorger bieten vor allem im Ausland Halt
Der Auslandseinsatz: Auch in Lourdes ist er allgegenwärtig. Viele der Soldaten hier waren bereits in Bosnien oder in Afghanistan - und viele sind es momentan. Militärbischof Walter Mixa ruft daher alle Pilger auf, für die gesunde Rückkehr ihrer Kameraden zu beten.

Nicht nur die Soldaten bringen alle ihre ganz eigenen Geschichten mit nach Lourdes. Militärpfarrer Thomas Bohne war selbst schon in Faisalabad. Das Lager seines Kollegen Rainer Stahlhacke in Kundus wurde von Raketen beschossen, sein eigenes Lager war im Winter bei bis zu minus 28 Grad teilweise komplett von der Außenwelt abgeschnitten; weder Nachschub noch Post erreichten die Soldaten.

In dieser Situation war es auch die Militärseelsorge, die die jungen Männer und Frauen zum Durchhalten animieren musste. «Das sind dann solche Aha-Erlebnisse: Wow, wir sind hier ganz auf uns allein gestellt», erinnert sich Hauptgefreiter Fabian Herlemann, der mit Bohne in Afghanistan war. In solchen Momenten sei der Pfarrer ein ganz wichtiger Gesprächspartner gewesen. «Zuhause gehe ich nicht regelmäßig in die Kirche», bekennt Herlemann. Aber im Einsatz habe der Sonntagsgottesdienst die Woche strukturiert: «Das war ein fester Anker - da wusste ich, dass ich mal eine Stunde lang abschalten kann.»

Hauptfeldwebel Marcel Liebing ging sogar soweit, sich in Afghanistan taufen zu lassen. Er habe pragmatische Gründe gehabt; trotzdem habe er sich danach wie ein neuer Mensch gefühlt. Militärpfarrer Bohne rät ja eigentlich von solchen Taufen ab, da die Soldaten in Deutschland oft keinen Kontakt zur Heimatgemeinde hätten und so eine Entscheidung doch lieber mit der Familie fällen sollten. Aber Liebing bereut nichts. Das merkt er auch in Lourdes.

Der schönste Moment sind für ihn die Abendandachten an der Grotte. «Das kann man gar nicht beschreiben - Lourdes muss man einfach selbst erleben.» Denn um Mitternacht, wenn viele Pilger schon in ihrem Hotelbett liegen und die meisten Soldaten in der Altstadt feiern, nimmt der Militärpfarrer seine Schützlinge mit an die Grotte, betet mit ihnen, wäscht sich schweigend im Lourdeswasser und entzündet mit ihnen Kerzen. Da kommen Emotionen hoch; lange vergessene Gefühle, wie die Männer bestätigen. Und so beten sie in ihren Uniformen auch für den Frieden. Wie es Soldaten in Lourdes bereits seit 50 Jahren tun.

Hoher Besuch
Auch Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) und Militärbischof Walter Mixa kamen nach Lourdes, um ihre Verbundenheit mit den Soldaten zu demonstrieren, wie Jung betonte. Mixa rief die rund 1.000 Soldaten und 500 zivilen Pilger aus Deutschland auf, während der Wallfahrt ihren «inneren Standpunkt zu überprüfen».

Mixa erinnerte auch an die Soldaten im Ausland. Durch die Einsätze der Bundeswehr stünden die Armeeangehörigen und die Militärseelsorger vor neuen Herausforderungen. Früher als ihre Altersgenossen müssten sich die Soldaten mit Themen wie Leben und Tod auseinandersetzen. Auch der Verteidigungsminister lobte den weltweiten Einsatz der Soldaten «für Frieden und Stabilität». Vor allem das soziale Engagement der Bundeswehr in den betreffenden Ländern müsse aber in der deutschen Öffentlichkeit noch bekannter gemacht werden.

Nach Lourdes seit 1944
Die Internationale Soldatenwallfahrt nach Lourdes ist die weltweit größte Wallfahrt für Militärangehörige. Sie geht zurück auf das Jahr 1944, als französische Soldaten erstmals gemeinsam nach Lourdes pilgerten. Daraus entstand eine regionale, später eine nationale Militärwallfahrt. Bei einem Treffen von Kriegsveteranen aus mehreren europäischen Ländern 1953 entstand die Idee, die nationale Wallfahrt international auszuweiten. Lourdes sollte dadurch zu einem Ort der Begegnung und der Versöhnung werden.

Die erste Internationale Soldatenwallfahrt fand 1958 statt, als sich die Marienerscheinungen von Lourdes zum 100. Mal jährten. Seitdem wird sie jedes Jahr durchgeführt. 2008 kamen rund 25.000 Soldaten aus etwa 40 Nationen. Aus Deutschland fuhren rund 1.000 Soldaten und 500 zivile Pilger in den südwestfranzösischen Wallfahrtsort. Insgesamt gab es aus der Bundesrepublik bisher mehr als 100.000 Teilnehmer.