Diäten-Erhöhung scheint vorerst erledigt

"Sieg der Vernunft"

Die 612 Bundestagsabgeordneten müssen auf die geplante neuerliche Erhöhung ihrer Diäten vorerst verzichten. Nach immer stärkeren Druck auch aus den eigenen Reihen zogen Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) und SPD-Fraktionschef Peter Struck die Vorlage am Dienstag zurück. Die Opposition und der Bund der Steuerzahler feierten dies als "Sieg der Vernunft". FDP, Linke und Grüne bekräftigten zugleich ihre generelle Ablehnung der Pläne.

Autor/in:
Angelika Rausch
 (DR)

Nach dem Willen von Union und SPD sollte der Tarifabschluss des öffentlichen Dienstes auf die Bezüge der Parlamentarier übertragen werden. Dies hätte eine Erhöhung der Diäten von 278 Euro 2009 und von 213 Euro im Jahr 2010 bedeutet. Erst im November vergangenen Jahres hatte der Bundestag mit den Stimmen der Koalition bereits eine Anhebung um gut neun Prozent bis 2009 beschlossen.

FDP-Chef Guido Westerwelle sprach von einem «Diäten-Desaster» für die Koalition, das die «Lebensferne» von Union und SPD beweise. FDP-Fraktionsgeschäftführer Jörg van Essen sagte, Union und SPD hätten «die Notbremse gezogen» und eingesehen, dass eine Anhebung der Abgeordnetenbezüge um weitere sechs Prozent nicht vermittelbar sei.

Der Bundesgeschäftsführer der Linken, Dietmar Bartsch, nannte die Aussetzung der Diätenanpassung «eine erste richtige Konsequenz» aus dem Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. «Offensichtlich hat jetzt die Union mit Blick auf die Bundestagswahl 2009 kalte Füße bekommen», sagte er.

Auch Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn begrüßte das Aus: Es sei «gut, dass die große Koalition eingesehen hat, dass diese Diätenerhöhung nicht in die Zeit passt». Union und SPD wären «gut beraten, in Zukunft von vornherein die soziale Realität im Land zu erkennen und danach zu handeln». Grünen- Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck fügte hinzu, mit dem Rückzug sei die Koalition einer «peinlichen Abstimmungsniederlage» zuvorgekommen.

Die Diätenanhebung war von der Opposition unisono abgelehnt worden. In den vergangenen Tagen wuchs auch bei SPD und Union der Unmut der Abgeordneten. Nachdem ein beachtlicher Teil der Sozialdemokraten im Bundestag die Pläne offen in Frage stellte, drohte der Plan zu scheitern. Widerstand formierte sich auch in der Union.

SPD-Fraktionschef Struck räumte ein, angesichts der öffentlichen Diskussion über die Anhebung der Abgeordnetenentschädigung halte er die Umsetzung «nicht für möglich». Ähnlich äußerte sich Unions-Fraktionschef Kauder. Er lehnte zugleich den FDP-Vorstoß ab, einen Systemwechsel zu vollziehen: «Wir halten grundsätzlich die Orientierung der Abgeordnetenentschädigung an der Besoldung einfacher Bundesrichter oder kommunaler Wahlbeamter für richtig.»

Dem widersprach der Verwaltungsrechtler und Parteienkritiker Hans Herbert von Arnim. Die Anlehnung der Diäten an die Bezüge von Bundesrichtern sei «von Grund auf verkehrt, weil sie Äpfel mit Birnen vergleicht und deshalb einen rein willkürlichen Maßstab setzt». Der Bund der Steuerzahler forderte unterdessen eine «große Diätenreform» noch in dieser Legislaturperiode.