Gefunden wurde das Bakterium Anfang der 90er Jahre bei einer Forschungsexpedition im Rift Valley, die Kenias Kenyatta-Universität gemeinsam mit der US-Biotechnologiefirma Genencor unternahm. Bei einer ähnlichen Forschungsreise mit Studenten wurde im weiter nördlich gelegenen Bogoria-See ein zweites Bakterium isoliert, dessen Enzyme heute in Waschmitteln Verwendung finden. Der Gewinn, den Genencor mit beiden Enzymen gemacht hat, wird auf mehrere Millionen Euro geschätzt. Genaue Angaben darüber macht die zum dänischen Danisco-Konzern gehörende Firma nicht.
Vermutlich auch deshalb, weil Kenias Behörden bis heute mit dem Konzern über Kompensationszahlungen verhandeln. Denn von den Millionen, deren Quelle zugegebenermaßen in Kenia liegt, hat man in Nairobi bis heute keinen Cent gesehen. "Kenia hat einige bittere Lektionen aus dem Biopiraterie-Vorfall mit Genencor lernen müssen", sagt der Chef des Kenya Wildlife Service (KWS), Julius Kipng'etich.
Laut Gesetz gehören dem KWS alle Naturgüter auf kenianischem Boden.
Darauf stützt Kipng'etich seine finanziellen Forderungen. Doch weil Kenias aus der Kolonialzeit stammende Gesetze nicht explizit die Eigentumsrechte genetischer Ressourcen regeln, beruft sich Genencor darauf, kein Recht gebrochen zu haben. Manches deutet darauf hin, dass die Genencor-Wissenschaftler bei ihrer Suche nach neuen Enzymen tatsächlich Unterstützung von kenianischen Experten hatten. Daran beteiligte Beamte drückten offenbar ein Auge zu, aus welchen Gründen auch immer.
Kein Einzelfall
"Natürliche Bausteine für neue Produkte findet man fast nie ohne lokale Berater", weiß Mariam Mayet. Seit Generationen überliefertes Wissen sei der Schlüssel, um die richtigen Pflanzen, Tiere oder anderen Ressourcen anzuzapfen. Besonders offensichtlich sei dies bei Substanzen, die in der traditionellen Medizin benutzt würden. "Wenn eine Firma eine solche Substanz isoliert, dann meldet sie im Regelfall ein Patent an, und damit sind die Herkunftsstaaten und die indigenen Völker, die eigentlichen Entdecker, jeder Gewinnbeteiligung beraubt."
Die Enzyme aus Kenias Soda-Seen sind kein Einzelfall. Weil viele Entwicklungsländer Angst vor der Patentierung ihrer Ressourcen durch Ausländer haben, wird auch der Gipfel über biologische Vielfalt vom 19. bis 30. Mai in Bonn über Biopiraterie diskutieren.
"Unsere Hoffnung ruht auf Technologietransfer"
Für Kenia versucht KWS-Chef Kipng'etich unterdessen einen eigenen Weg. Er hat jüngst mit dem dänischen Biotech-Riesen Novozymes ein Abkommen geschlossen, das dem Unternehmen die Nutzung bestimmter mikrobiologischer Ressourcen in Kenia erlaubt - gegen Gewinnbeteiligung.
Novozymes finanziert zudem die Ausbildung von Wissenschaftlern und eine neue Forschungseinrichtung, die Kenia helfen soll, seinen mikrobiologischen Reichtum zu katalogisieren. "Unsere Hoffnung ruht auf Technologietransfer", so Kipng'etich. "Biotechnologie ist ein Wirtschaftssektor, der uns bei der Entwicklung Kenias mehr helfen kann als etwa der Tourismus." Das Potenzial zumindest ist enorm: Kenia zählt zu den Ländern der Welt mit der größten Artenvielfalt.
Westliche Unternehmen patentieren Afrikas Naturschätze - gesetzliche Regelung fehlt
Angriff der Biopiraten
Wenn Mariam Mayet von ausgeblichenen Jeans mit dem Label "stone-washed" spricht, dann hat sie nicht die aktuelle Mode im Sinn - sondern einen besonderen Fall von Diebstahl. Die Direktorin des Afrikanischen Zentrums für Biosicherheit in Johannesburg spricht von "Biopiraterie". Denn Quelle des Enzyms, das Jeans besser ausbleichen lässt, ist ein Bakterium, das im kenianischen Nakuru-See lebt. Von den Gewinnen, die damit erzielt werden, erhält Kenia bislang aber nichts.
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