Friedenspreis für Engagement im Nahen Osten

"Von unten" für den Frieden

Der internationale Aachener Friedenspreis geht in diesem Jahr an die israelische Frauenorganisation MachsomWatch und den evangelischen Pfarrer der Weihnachtskirche in Bethlehem, Mitri Raheb. Die Preisträger engagierten sich auf vorbildliche Weise "von unten" für den Frieden im Nahen Osten. Heute wird der Preis in Aachen verliehen.

Autor/in:
Gabi Fröhlich
 (DR)

«Ich stamme aus der Stadt, wo vor über 2.000 Jahren die Hoffnung geboren wurde», sagt Mitri Raheb über seinen Geburts- und Arbeitsort: Der neue Träger des Internationalen Aachener Friedenspreises 2008 ist Pfarrer der 220 Seelen kleinen lutherischen Gemeinde Bethlehems. Sie ist nur eine winzige Minderheit unter den Christen, die selbst wiederum eine schrumpfende Minderheit in ihrer muslimisch geprägten Gesellschaft sind. Komplexe hat der Palästinenser deswegen nicht: Die Projekte, die der 46-Jährige aufzieht, tragen immer visionäre Züge.

Mit Ausdauer stemmt sich Raheb der grassierenden Resignation unter den von israelischen Sperranlagen eingeengten Bewohnern Bethlehems entgegen. 1995 gründete er bei der lutherischen Weihnachtskirche das Internationale Begegnungszentrum, 1998 die "Dar al-Kalima" (Haus-des-Wortes-Schule), 2003 ein Gesundheitszentrum. 2007 starteten die ersten Kurse der Fachhochschule für Kunst, Musik, Medien und Tourismus - ein ehrgeiziges Gebäude für die Akademie ist im Bau.

Kunst und Kultur sieht der Pfarrer als einen Weg, sich inmitten von Schwierigkeiten und Gewalt die eigene Identität, freies Denken und Kreativität zu bewahren. Er halte nicht viel davon, "den Christen hier alles auf einem goldenen Teller zu servieren", sagt er mit Seitenblick auf westliche Hilfsprojekte, die seiner Ansicht nach eine bequeme Bettelkultur fördern. Vielmehr müsse man den Menschen Arbeit und eine Vision für die Zukunft zu geben.

Regelmäßiger Besuch in Deutschland
Seine intensiven Kontakte zu Deutschland hat der fließend Deutsch sprechende Palästinenser in acht Jahren Studium in Marburg aufgebaut.
Bis heute ist er regelmäßiger Gast bei Kirchentagen, Friedenskonferenzen und Pfarrgemeinden. In seinen Vorträgen und Büchern - zuletzt "Bethlehem hinter Mauern" - spart er nicht mit Kritik an der israelischen Politik. So vergleicht er das Westjordanland mit einem Schweizer Käse: Israel nehme sich den Käse, während die Palästinenser in den Löchern eingesperrt würden.

Auf der anderen Seite der acht Meter hohen Betonmauer beim Kontrollpunkt Bethlehem stehen jeden Morgen die Frauen der israelischen Menschenrechtsorganisation Machsom Watch (Checkpoint-Beobachtung). Sie dokumentieren das Verhalten der israelischen Soldaten im Umgang mit der Bevölkerung, schreiben Beschwerden gegen Menschenrechtsverletzungen und versuchen, steckengebliebenen Palästinensern zu helfen.

Gegründet wurde Machsom Watch 2001 von einigen Frauen, die sich mit dem "Unrecht der israelischen Besatzung und der systematischen Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung" nicht abfinden wollten. Mittlerweile haben sich ihnen rund 500 Ehrenamtliche angeschlossen. Ausgerüstet mit Notizblock, Telefon und einer Liste mit Nummern von Schaltstellen des Militärs stehen sie Tag für Tag an einigen Dutzend der derzeit rund 580 Kontrollposten und Straßensperren im und um das Westjordanland.

Machsom Watch
Ihre oft bedrückenden, manchmal humorvollen Berichte über Willkür, Demütigungen und "bürokratische Attentate" sind auf der Webseite www.machsomwatch.org nachzulesen - damit wollen sie die israelische und internationale Öffentlichkeit aufrütteln. Zugleich werden die israelischen Frauen oft von Palästinensern um Hilfe gebeten, wenn die Soldaten sie nicht passieren lassen. In einzelnen Fällen gelingt ihnen der Erhalt der ersehnten Genehmigung - nach Aussagen von Mitarbeiterinnen durch "Betteln, Schreien und Toben am Telefon".

Wie Machsom Watch hat auch Pfarrer Raheb immer wieder mit Rückschlägen zu kämpfen. Während der Belagerung Bethlehems 2002 wurde das Internationale Begegnungszentrum Bethlehem vom israelischen Militär zum Teil verwüstet. Raheb ließ es wieder aufbauen, nach seinem Motto: "Wir bauen unser Heimatland...Stein für Stein...Mensch für Mensch und ein Haus nach dem anderen."