Reportage: Das ganze Ausmaß der Katastrophe in Birma ist noch längst nicht absehbar

Helfer sind erbost über Barrieren

Eine kleine Gruppe von Menschen umringt einen Wassertank. Aus kleinen Schüsseln schöpfen sie Wasser in die mitgebrachten Eimer. Sauberes Wasser ist Mangelware. Die Bilder zeigen, dass es in Birma (Myanmar) auch an vielen anderen lebenswichtigen Gütern fehlt, seit der verheerende Zyklon "Nargis" am Samstag wütete: Notunterkünfte, Decken und Medikamente werden dringend gebraucht. Die Preise für Reis, Wasser und Speiseöl, aber auch für Benzin und Kerzen, haben sich verdoppelt. Für die ohnehin seit Jahrzehnten verarmte Bevölkerung ein Horrorzustand.

Autor/in:
Nicola Glass
 (DR)

Offiziell hat «Nargis» bislang etwa 22.500 Tote gefordert, mehr als 41.000 Menschen gelten noch als vermisst. Landeskenner mutmaßen allerdings, dass die Zahlen noch weiter steigen könnten: Man müsse mit 50.000, wenn nicht gar mit bis zu 100.000 Toten rechnen, sagte ein in Thailand lebender Regimekritiker aus Birma dem epd.

Etliche Millionen Menschen wurden obdachlos. «Wir wissen nur noch nicht, um wie viele Millionen es sich handelt», berichtete der für Birma zuständige Vertreter der Organisation «Save the Children», Andrew Kirkwood, am Mittwoch telefonisch aus der früheren Hauptstadt Rangun.

Besonders die Lage im Irrawaddy-Flussdelta, neben der Millionenstadt Rangun eine der am schwersten betroffenen Regionen, sei verheerend. Teams von «Save the Children» hätten Tausende Tote gesehen, die in den Straßen verwesten. «Rund 95 Prozent der Gemeinde Laputta ist zerstört, die Leichen liegen überall», so ein Bewohner, der sich aus dem Katastrophengebiet retten konnte. «Bislang haben die Überlebenden weder Wasser noch Essen, auch sie werden vielleicht bald sterben.»

Dass die Junta, wenn auch nur zögerlich, ausländische Helfer zulässt, ist für Beobachter ein Indiz dafür, dass die Lage noch viel schlimmer ist als bisher bekannt. Denn den Militärs dürfte es prinzipiell nicht passen, ausgerechnet vor der für Samstag angesetzten Volksabstimmung über eine neue Verfassung viele Ausländer im Lande zu haben.

Bewegungsfreiheit für sie ist demnach nicht selbstverständlich. Viele Helfer dürften gar nicht erst in die am schwersten verwüsteten Landesteile einreisen, heißt es. Während der australische Zweig von CARE von «vollständiger Unterstützung» der Behörden zu berichten weiß, reißt bei vielen anderen Helfern die Kritik an der mit der Situation sichtlich überforderten Militärregierung nicht ab.

Beispielsweise lässt das Regime weitere Angehörige von Helferteams sowie UN-Experten, die sich im benachbarten Bangkok befinden, seit Tagen auf ihre Visa warten. Die thailändische Tageszeitung «Bangkok Post» berichtete zudem, dass Birmas Botschaft in Bangkok am Montag, einem thailändischen Feiertag, ihre Pforten geschlossen hatte - ungeachtet der schweren Notlage, in der sich die eigenen Landsleute befinden. Thailändische Beamte hingegen hatten ihren freien Tag geopfert und Flugzeuge der Luftwaffe mit Hilfsgütern beladen.

Die wachsende Unterstützung aus dem Ausland nährt die anhaltende Kritik am miesen Krisenmanagement der Junta. Regimekritiker berichten, dass Hilfslieferungen aus China und Thailand kurz nach der Landung auf dem Flughafen Rangun umgepackt worden seien. So sollte der Eindruck erweckt werden, die Güter stammten von der Militärregierung selbst.

Dissidenten werfen der Junta außerdem vor, die Bevölkerung nicht vor dem Zyklon gewarnt zu haben. «Sie waren zu sehr damit beschäftigt, ihr Referendum vorzubereiten», moniert Soe Aung, Sprecher der Oppositionspartei «Nationale Liga für Demokratie» im Exil in Bangkok. Diese Abstimmung solle auf jeden Fall am Samstag in den meisten Landesteilen stattfinden, bestimmte die Junta. Nur in den am schwersten verwüsteten Regionen wird zwei Wochen später gewählt.

Bei dem Urnengang soll das Volk über eine neue Verfassung entscheiden. Diese aber ist nach Ansicht von Regimekritikern nur dazu da, die Macht der Generäle auch künftig zu zementieren.
Exilvereinigungen berichten, dass in den vom Wirbelsturm nicht berührten Bundesstaaten wie Shan und Kachin Bewohner bedroht und gezwungen worden seien, in einer vorgezogenen Abstimmung mit «Ja» zu stimmen.