domradio: Wer ist dieser Künstler Gregor Schneider?
Friedhelm Mennekes: Ich glaube, er ist einer der ernsthaftesten und wirklich beeindruckensten Künstler der Gegenwart in Deutschland. Wir verdanken ihm eine ganze Reihe sehr ernstzunehmender Arbeiten - unter anderem die vor einigen Jahren preisgekrönte Arbeit auf der Biennale im Deutschen Pavillon.
domradio: Also kein Künstler, der versucht, sich mit einer solchen Aktion besonders bekannt zu machen?
Friedhelm Mennekes: Nein, das hat er gar nicht nötig! Er ist inzwischen weltweit bekannt und auch geschätzt.
domradio: Er will mit seinem Kunstprojekt, so sagt er, "dem Tod den Schrecken nehmen", sogar "die Schönheit des Todes demonstrieren". Darf er einen Sterbenden vor diesem Hintergrund öffentlich zum Objekt seiner Kunst machen?
Friedhelm Mennekes: Zunächst einmal muss man sagen, dass es bei ihm um zweierlei Dinge geht: Um jemanden, der soeben gestorben ist und um den Prozess, in dem ein Sterbender liegt. Gregor Schneider ist ein Künstler, dem es sehr stark um die Entfaltung und auch Bewusstmachung verdrängter Räume im Innersten des Menschen geht. Räume der Kindheit, der Ich-Werdung, Räume voller Geheimnisse und Ängste. Das hat er sehr beeindruckend aufgezeichnet und weltweit dann auch ausgestellt in seinem "Haus ur". Später hat er sich dann auch den inneren Räumen der Angst vor dem Tod, des Umgangs mit dem Tod und der Trauer gestellt. Dabei spielt allerdings der Prozess, das katholische Anliegen eines guten Sterbens, eine Rolle. Ich denke, das ist zunächst das zentrale Anliegen, mit dem ich ihm auch persönlich in einer Ausstelung von St. Peter begegnet bin.
domradio: Ist es aber in Ordnung, so etwas über eine Ausstellung in einem Museumsraum zu machen?
Friedhelm Mennekes: Die Frage ist, was man von einem Museumsraum hält. Natürlich kann man sagen "Das sind Event-Schuppen". Ich bin aber der Meinung, dass das Museum sicherlich nicht darin aufgeht. Im Gegenteil: Das Museum ist ein Ort, wo die Kunst ihren Beitrag zu bestimmten Fragen der Gegenwart und der Gesellschaft leistet. Dazu gehört auch, dass bestimmte Bilder ausstellt werden. Bilder eines geschundenen Menschen, Bilder, in denen sich Menschen vergangen haben. Wir stehen in einer Gesellschaft, die - nicht nur durch eine hetzige Presse - ernsthaft versucht, die tiefen Abgründe des moralischen Empfindens deutlich zu machen. Und hier im Museum sehe ich auch eine Möglichkeit, dass eine Gesellschaft sich im Spiegel sieht und betrachtet. Wenn es jemanden gibt, der dieses Vorhaben in würdevollen Begleitumständen umsetzt - etwa mit der Konstruktion eines Raumes, der mit der Anwesenheit eines Leichnams respektvoll umgeht - dann ist das Gregor Schneider.
domradio: Sie haben das Beispiel eines gerade Verstorbenen genannt. Gibt es einen Unterschied zu seinem Vorhaben, vielleicht auch einen Sterbenden zu zeigen?
Friedhelm Mennekes: Bisher habe ich immer gesagt, man muss das eine vom anderen unterscheiden. Das Zweite ist natürlich eine Radikalisierung das Ersteren. Aber selbst da würde ich sagen: Es gibt so etwas wie ein beispielhaftes, würdevolles Sterben. Unter bestimmten Umständen, beispielsweise bei einer gewissen Freundschaft zu einem Künstler, wo eine gewisse Form der Intimität und die Bereitschaft, den Wünschen des Künstlers gerecht zu werden, vorliegen, könnte ich mir einen solchen Prozess vorstellen. Das wäre aber wiederum kein Prozess, dem eine sensationsgeile Masse gegenübersteht, sondern wo sich über das Private hinaus ein sich leicht öffnender Kreis einfindet, um der Realität eines solchen Vorgangs beizuwohnen. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass die Herausforderung einer solchen "geöffneten Öffentlichkeit" Formen annimmt, in denen man sieht, wie ein Sterbender versucht, solange es eben geht, seine menschliche Form zu halten.
domradio: Pater Mennekes, vielen Dank für das Gespräch!
Jesuitenpater Mennekes im domradio-Interview zum Projekt "Kunst mit Sterbendem"
Die Gesellschaft im Spiegel
Der Plan des Künstlers Gregor Schneider, im Krefelder Museum Haus Lange einen Sterbenden zu zeigen, hatte vergangene Woche landesweit für eine lebhafte Debatte gesorgt. Der Kölner "Kunstpater" Friedhelm Mennekes verteidigte das Projekt. Im domradio-Interview erklärt er nun, warum.
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