Regierung streitet um deutschen Entwicklungshilfeetat

Versprechen brechen?

Im Streit um den Bundeshaushalt hat Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) mit seinen Drohungen an vier Ministerien viel Staub aufgewirbelt. Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) kann aber bei ihrem Beharren auf mehr Geld auf Zusagen verweisen, die Deutschland international bereits längst gegeben hat. Das Versprechen, den Entwicklungshilfeetat bis 2015 mehr als zu verdoppeln, machte Deutschland schon 2005. Mehrfach wurde das bekräftigt, auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem Vorgänger Gerhard Schröder (SPD).

 (DR)

Ende Mai 2005 vereinbarten die EU-Entwicklungshilfeminister ein ehrgeiziges Programm: Sie kündigten an, die alten 15 EU-Staaten wollten ihre Entwicklungshilfe bis 2010 auf durchschnittlich 0,56 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung anheben. Jeder von ihnen sollte dann mindestens 0,51 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts dafür zur Verfügung stellen. Bis 2015 soll die Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent ansteigen, so die EU-Minister im Vorfeld des G-8-Gipfels von Gleneagles. Für die zwölf neuen EU-Staaten gelten niedrigere Werte. Damals lag der deutsche Entwicklungshilfe-Anteil am Bruttoinlandsprodukt bei 0,28 Prozent.

Auf Millenniumsziele verpflichtet
Diese Vorgaben wurden seither nicht aufgegeben, im Gegenteil. Schon im Schlussdokument des G-8-Gipfeltreffens von Gleneagles, an dem Bundeskanzler Schröder teilnahm, heißt es wörtlich: «Deutschland (unterstützt durch innovative Instrumente) hat sich verpflichtet, 2010 0,51 Prozent und 2015 0,7 Prozent seines Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe aufzuwenden.» Seither wiederholten deutsche Politiker jeder Couleur das Versprechen, so etwa Außenminister Joschka Fischer (Grüne) beim UN-Folgegipfel zu den Millenniums-Entwicklungszielen im Herbst 2005 in New York.

Auch der Koalitionsvertrag der neuen schwarz-roten Bundesregierung hielt an der Vorgabe fest. Bundeskanzlerin Merkel nutzte mehrfach internationale Foren, um diese Selbstverpflichtung zu bekräftigen - zuletzt den G-8-Gipfel von Heiligendamm im Juni. Da sagte sie, dass sie «alles» tun werde, «um das, was früher einmal versprochen wurde, auch umzusetzen». Die Ahnung um die jetzt vorhandenen Probleme muss sie damals schon ergriffen haben, denn sie fügte hinzu: «Manchmal verspricht sich etwas leichter, als es ist, wenn man sich dann, wenn man mit der Umsetzung betraut ist, darum kümmern muss.» Doch das Bekenntnis zu mehr Hilfe wiederholte Merkel ungeschmälert noch beim EU-Afrika-Gipfel im Dezember mit ihrer Unterschrift.

Bislang steht Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Staaten noch gut da, was die versprochene Erhöhung angeht. Nach den jüngsten OECD-Zahlen gab Deutschland inzwischen 0,37 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Entwicklungshilfe aus. Die Entwicklungshilfe stieg zwischen 2006 und 2007 noch an. Andere verzeichneten dagegen ein kräftiges Minus: etwa Großbritannien um 29,1 Prozent und Frankreich um 15,9 Prozent.

Hintergrund: Beide Staaten konnten - wie auch Deutschland - zuvor gute Zahlen vor allem deswegen vorlegen, weil sie Entwicklungsländern die Schulden erließen. Das lässt sich aber nur ein Mal in den Haushalt einberechnen. Deutschland konnte 2007 nochmal ein Viertel seines Entwicklungsetats aus Schuldenerlass-Mitteln errechnen. Wenn der Entwicklungshilfe-Etat jetzt mehr Geld verlangt, dann wohl vor allem, weil auch hier nicht länger der Schuldenerlass das Budget in die Höhe treibt.

Steinbrücks Vorstoß dürfte eine Debatte über neue Finanzierungsinstrumente für die Entwicklungshilfe auslösen. Von Einnahmen aus dem Emissionshandel bis zu einer Flugticketabgabe reicht die Palette. Jedoch: In Frankreich gibt es die Flugticketabgabe seit 2006, und auch Großbritannien hat sie schon eingeführt. Vom Rückgang bei den Entwicklungshilfe-Zahlen hat sie beide Länder freilich nicht bewahrt.