Gewerkschaftsvorwurf: Ver.di stellt Strafanzeige gegen Aldi

"Moralisch bedenklich"

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hat Strafanzeige gegen den Lebensmitteldiscounter Aldi Nord angekündigt. Der Vorwurf: Der Discounter soll jahrelang eine kleine Gewerkschaft finanziell unterstützt haben. Ver.di spricht von "kriminellen Machenschaften". Moralisch bedenklich findet auch der Gewerkschaftsexperte Hagen Lesch den Vorfall. Im domradio begründet er, warum.

 (DR)

"Wenn man die Gewerkschaft nicht im Haus haben will, favorisiert man unabhängige Betriebsräte", erläutert Dr. Hagen Lesch, Gewerkschaftsexperte des Instituts der Deutschen Wirtschaft im domradio Interview. Die starre Haltung der Gewerkschaften hätte den Trend zu unabhängigen Betriebsräten gefördert.

Zu lange hätten die großen Gewerkschaften am Flächentarifvertrag festgehalten und sich gegen Öffnungsklauseln in den Tarifverträgen gesperrt. Damit hatten sie sich von den Beschäftigten entfernt. Das führte soweit, dass die AUB vor zwei Jahren mehr als zehn Prozent aller Betriebsratsstimmen errungen hat.

Einflussnahme auf Betriebsräte sei aber kein alleiniges Problem der AUB, so der Gewerkschaftsexperte. Der Fall Volkswagen hätte gezeigt, dass auch IG-Metall Betriebsräte käuflich sein können.

"Dass Aldi sich solcher Methoden bedient, um Gewerkschaftsarbeit zu unterdrücken, lässt Zweifel an der moralischen Integrität der dort Handelnden aufkommen", sagt dagegen ver.di-Vorsitzender Bsirske und fordert Konsequenzen von der Aldi-Nord-Eigentümerfamie um Theo Albrecht. Sie müsse sich entweder zu ihrer Verantwortung für das verdeckte AUB-Sponsoring bekennen oder gegenüber den Verantwortlichen in der Unternehmensleitung Konsequenzen ziehen.

Antigewerkschaft?
Seit den Berichten über die Vorgänge bei Siemens wurde die AUB in zahlreichen Berichten als Gegengewerkschaft beschrieben. Nach eigenen Angaben versteht sich die AUB als Berufsverband und nicht als Gewerkschaft, unterstützt aber Betriebsräte in "zahlreichen Betrieben", die nicht gewerkschaftlich organisiert sind. Etwa zehn Prozent der unabhängigen Betriebsräte sei bei AUB organisiert, schätzt Gewerkschaftsexperte Hagen Lesch.

Auf ihrer Hompage beschreibt sich die Organisation selbst als "Betriebsnah, Ideologiefrei, Zukunftsorientiert" und partnerschaftlich orientiert. Die Vorwürfe der "Süddeutschen" weist die Organisation zurück: Die AUB habe "von Aldi keinerlei illegale Zahlungen erhalten". Auch von ihrem ehemaligen Vorsitzenden, Wilhelm Schelsky distanziert sich der heutige Vorstand.

Schelsky sitzt wegen Zuwendungen durch den Siemens-Konzern in Millionenhöhe in Untersuchungshaft. Er hatte bei seinen Vernehmungen zugegeben, dass Aldi Nord über eine Essener Anwaltskanzlei mit 120 000 Euro pro Jahr einen AUB-Mitarbeiter finanzierte, der sich um Aldi-Betriebsräte kümmerte. Die Aldi Einkauf GmbH in Essen bestätigte der "Süddeutschen Zeitung" die Zahlungen.