In einem monströsen Verfahren muss das OLG Frankfurt über die Telekom-Klage entscheiden

Prozess ohne Vergleich

Die einleitenden Worte des Vorsitzenden Richters Christian Dittrich ließen für die klagenden Telekom-Anleger nichts Gutes erahnen. Das eigens für den Mammutprozess gegen die Deutsche Telekom geschaffene Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz erscheine "ungeeignet", um die Bedürfnisse der Anleger zu befriedigen. Das Verfahren hat demnach nicht nur einen sperrigen Namen, sondern verspricht "zäh und umständlich" zu werden.

 (DR)

Die Dimensionen des Verfahrens sind bislang einzigartig in der deutschen Zivilgerichtsbarkeit. Ursprünglich beschäftigten sich 17 000 Kläger und 900 Anwälte mit dem so unglücklichen dritten Börsengang der Deutschen Telekom im Frühjahr 2000. Das OLG Frankfurt mietete wegen eines zu erwartenden Ansturms von Kleinanlegern und Anwälten für den Prozess extra den Saal eines Frankfurter Bürgerhauses mit 800 Plätzen an.

Doch zum Prozessauftakt war das Interesse der Öffentlichkeit eher gering, die meisten der in Reih und Glied aufgestellten Stühle blieben leer. Dafür begann der von vielen Experten ohnehin als äußerst langwierig eingestufte Prozess mit gut einer Stunde Verspätung, da Richter Dittrich durch einen Wintereinbruch in Mittelhessen bei der Anreise mit dem Zug steckengeblieben war.

Neuland Musterverfahren
Wie sehr alle Beteiligten mit dem Musterverfahren Neuland betreten, zeigte sich schon nach ein paar Minuten. Da musste Richter Dittrich dem Klägeranwalt Andreas Tilp den Antrag soufflieren, den dieser zur formalen Eröffnung des Prozesses stellen musste. Es folgten rechtstheoretische Scharmützel der Verfahrensbeteiligten um die Auslegung des neuen Gesetzes, das geschaffen worden war, weil die deutsche Zivilgerichtsbarkeit keine Sammelklage kennt.

Zuvor war bereits der letzte Versuch der Klägeranwälte gescheitert, einen Vergleich zu erzielen. Peter Kühn, Rechtsanwalt einer Wiesbadener Kanzlei, die allein 6500 Kläger vertritt, wies darauf hin, dass viele der hochbetagten Anleger ohne einen Vergleich das Ende des Prozesses nicht mehr erleben werden. Schon jetzt ist die Zahl der Kläger auf gut 16 000 geschrumpft.

Die fünf Anwälte der Telekom lehnten den Vorschlag ab, nicht zuletzt "aus Rücksicht" auf die rund drei Millionen Telekom-Aktionäre, die nicht geklagt hatten. Beim Rechtsstreit in den USA hatte das Bonner Unternehmen einem Vergleich noch zugestimmt, wohl nicht zuletzt, weil das US-amerikanische Rechtssystem Schadensersatzansprüche in astronomischer Höhe vorsieht.

Es geht um Existenzen
Vor dem OLG Frankfurt geht es hingegen im Vergleich "nur" um einen Streitwert von 80 Millionen Euro. Als exemplarisch verhandelt das Gericht dabei die Klage eines Anlegers aus Baden-Württemberg, der durch den Kauf von Telekom-Aktien nach eigenen Angaben 1,2 Millionen Euro verloren hat. "Es geht um die Existenz meines Mandaten", sagt Anwalt Tilp, dessen Mandant seine Telekom-Aktien im November 2005 mit großen Verlusten verkauft hat.

An den ersten beiden Verhandlungstagen will sich der 23. Zivilsenat mit einem Vorlagenbeschluss befassen, in dem die Hauptvorwürfe und Fragen aller Kläger zusammengefasst sind. 187 Streitpunkte sollen die Verfahrensbeteiligten dabei zunächst grundsätzlich diskutieren, bevor am dritten Verhandlungstag die ersten Zeugen gehört werden. Am Nachmittag des ersten Verhandlungstages hatten sich Anwälte und Richter erst bis zu Punkt 3 vorgekämpft. "An diesem Prozess verdienen nur noch zwei: Die Staatskasse und die Anwälte der Telekom", glaubt Klägeranwalt Tilp.

Von ddp-Korrespondent Oliver Teutsch