Lebensmittelspreise gefährden die Hilfe für die Ärmsten und die politische Stabilität

Neue Hungerkrisen in Sicht

Ein Sieg über den Hunger in der Welt rückt wieder in weite Ferne. Denn rund um den Globus werden die Lebensmittel teurer. In den vergangenen sechs Monaten stiegen die Preise für Grundnahrungsmittel laut UN um die Hälfte. Die Folgen sind fatal: Weltweit könnte es zu neuen Hungerkrisen kommen.

 (DR)

Schon im Jahr 2007 hatte die UN-Landwirtschaftsorganisation FAO einen Anstieg von rund 40 Prozent registriert. Bei Politikern und Experten schrillen die Alarmglocken. Denn der Preisschub gefährdet die humanitäre Hilfe für Millionen Menschen sowie die Entwicklung und die politische Stabilität Dutzender Staaten. "Die massiv steigenden Lebensmittelpreise werden mehr und mehr zu einem ernsthaften Sicherheitsproblem", unterstreicht Joachim von Braun, Generaldirektor des Internationalen Food-Policy-Research- Instituts in Washington, das Strategien zur Sicherung der Ernährung erforscht.

Schon in 25 Ländern brachen in den vergangenen Monaten teilweise gewalttätige Proteste gegen die Verteuerung von Brot, Fleisch und Gemüse aus. "Und die Liste wird länger und länger", so Braun. In politisch instabilen Ländern wie Pakistan, Burkina Faso, Marokko und Mauretanien kann sich die Lage schnell zuspitzen. Auch in Mexiko steigt die Wut: Bei den sogenannten Tortilla-Krawallen protestierten 75.000 Arme gegen die galoppierenden Preise für ihr Grundnahrungsmittel Mais.

Die Hauptleidtragenden sind die Ärmsten der Weltbevölkerung. "Die unterste Milliarde trifft es am härtesten", fasst UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die Lage zusammen. "Es sind die Menschen, die mit einem US-Dollar oder weniger am Tag auskommen müssen." Genau ihnen will die Staatengemeinschaft doch helfen, aus der extremen Armut zu kommen.

Die Konsequenz: Die reichen Länder müssen mehr Geld geben
Beim Millenniumsgipfel im Jahr 2000 versprachen die Staats- und Regierungschefs, die Zahl der Hungernden bis 2015 zu halbieren. Doch schon bevor die Lebensmittelpreise explodierten, warnten viele Experten vor zu großem Optimismus: Der Kampf gegen das Elend sei in wenigen Jahren kaum zu gewinnen. "Aber jetzt stehen wir vor noch viel gewaltigeren Herausforderungen", gesteht UN-Chef Ban.

Schon heute sind Millionen Opfer von Naturkatastrophen, Kriegen und Krisen bedroht. Das Welternährungsprogramm (WFP) versorgt insgesamt rund 73 Millionen Menschen. "Wenn die Lebensmittelpreise sich verdoppeln, können wir nur noch die Hälfte für das gleiche Geld kaufen", erklärt WFP-Direktorin Josette Sheeran. Die Konsequenz: Entweder geben die reichen Länder mehr Geld für die Notleidenden. Oder die Helfer kürzen die Rationen - womit sie schon begonnen haben.

Vielfältige Gründe
Die Gründe für den Preisauftrieb sind vielfältig: Die aufstrebenden Wirtschaftsmächte China und Indien entfalten auf den Märkten einen gigantischen Sog. Die wachsende Nachfrage prallt auf ein schrumpfendes Angebot. So vernichtete eine Jahrhundertdürre in Australien große Teile der Weizen-Ernte. Zudem verkaufen immer mehr Farmer ihre Ernte an Produzenten von Biokraftstoff.

Angesichts der Krise suchen Experten nach Auswegen: Die FAO empfiehlt, 13 Millionen Hektar brachliegendes Agrarland in Russland, der Ukraine und Kasachstan wieder unter den Pflug zu nehmen. Agrarfachmann Braun ist jedoch skeptisch: "In diesen Ländern beobachten wir seit Jahren eine Vernachlässigung bei Düngung und Bewässerung. Die Flächen auf ein gutes Produktionsniveau zu führen, ist schwer."

Jan Dirk Herbermann (epd)