Das Internet stellt Journalisten vor neue Herausforderungen

"Sortieren der Welt wird immer wichtiger"

Alles fließt. Auch im Journalismus bleibt fast nichts mehr, wie es einmal war. Internet und digitale Technik sorgen nicht nur für neue technische Übertragungswege, sondern verändern auch die Inhalte und das Berufsbild der Journalisten. Das jedenfalls ist das Fazit der Jahrestagung der Gesellschaft Katholischer Publizisten (GKP), die sich anlässlich ihres 60. Geburtstags am Wochenende in Bergisch Gladbach mit dem Thema "Medien, Macht, Moral" auseinandersetzte.

 (DR)

Von einer Entmachtung des klassischen Journalismus durch das Internet sprach der Münsteraner Kommunikationswissenschaftler Christoph Neuberger. Waren Politiker, Unternehmen und Bürger bislang auf die Hilfe der Journalisten angewiesen, um ihre Botschaften in Zeitung, Radio und Fernsehen zu verbreiten, stehen ihnen im Internet längst eigene Übertragungswege zur Verfügung.

Ob Weblogs, Wikipedia, das Videoportal "Youtube" oder die  Kommunikationsplattform "studiVZ": Die User beanspruchen ein Mitspracherecht darüber, welche Informationen verbreitet werden. Dass dabei auch die Normen des klassischen Journalismus unter Druck geraten, machte Neuberger am Beispiel der US-Internetseite "Drudge Report" deutlich, die Gerüchte und Informationen oft ungeprüft und ohne Rücksicht auf die Folgen veröffentlicht.

Lewinsky, Obama und Prinz Harry
Die Website hatte nicht nur als erste Gerüchte über eine Affäre von US-Präsident Bill Clinton mit seiner Praktikantin Monica Lewinsky in die Welt gebracht, sondern jüngst auch das Foto des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama in traditioneller kenianischer Bekleidung ohne einordnende Informationen veröffentlicht.

Auch der Afghanistan-Einsatz von Queen-Enkel Prinz Harry in Afghanistan wurde vom "Drudge Report" vermasselt: Journalisten wussten seit Dezember, dass der 23-Jährige im Kampf gegen die Taliban an der Front stand. Selbst die britischen Klatschblätter hatten dicht gehalten.

Lotse und Ordner statt Jäger und Missionar
Kein Wunder, dass sich auch das Rollenverständnis der Journalisten ändert. Sie sähen sich selber zunehmend als Ratgeber und Orientierungshelfer im Dschungel des Informationsüberflusses, erläuterte die Kommunikationswissenschaftlerin Simone Ehmig aus Lugano. Frühere Formen des Selbstverständnisses als Nachrichtenjäger oder als Missionar würden abgelöst. Auch der Hörfunk-Chefredakteur des Südwestrundfunks (SWR), Arthur Landwehr, sieht im modernen Journalisten eher den Lotsen und Ordner. "Das Sortieren der Welt wird immer wichtiger", sagte er.

Wachsenden kommerziellen Druck auf den Journalismus beklagte die stellvertretende Bundesvorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes (DJV), Ulrike Kaiser. Die Medienwirtschaft habe das Kommando übernommen. Aus Herausgebern seien vielfach Herausnehmer geworden. Eine weitere Folge des von der Gewerkschafterin kritisierten unverblümten Renditedenkens: die Jagd nach Quoten und eine zunehmende Verwischung zwischen Journalismus und PR.

Claudia Nothelle, TV-Chefredakteurin beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb), räumte ein, dass immer mehr Medienschaffende sich weniger als Journalisten denn als Unterhalter verstünden. Und Ulrich Lota, Pressesprecher des Bistums Essen, bescheinigte manchen Medien, dass PR-Texte zunehmend ungeprüft übernommen würden: "Als Pressesprecher freut mich das natürlich, als Journalist aber nicht."

Von Christoph Arens (KNA)