Hirsi Ali berichtete über ihr Dilemma. Die ehemalige niederländische Parlamentsabgeordnete erzählte, wie sie nach Todesdrohungen in den Niederlanden auf Militärbasen, in Polizeistationen und in geschützten Wohnungen beherbergt wurde. Nachbarn klagten schließlich erfolgreich auf ihren Auszug: Ihre Anwesenheit stelle eine Bedrohung für das gesamte Gebäude dar, so das Argument, dem ein Berufungsgericht folgte. Zwar fühle sie sich als Niederländerin, und sie wolle dort leben - doch sie könne es nicht.
Umgekehrt verweigern die Niederlande seit Oktober, ihren Personenschutz zu finanzieren, solange sie im Ausland lebe - Hirsi Ali hatte eine Stelle in den USA angenommen. Aus eigener Tasche sei das aber nicht zu leisten, berichtete die Islamkritikerin. Seither sei sie damit beschäftigt, Spenden für ihre Bewachung einzusammeln. Denn umgekehrt hätten die USA erklärt, nur eigenen Staatsbürgern oder aber Ausländern mit einem offiziellen Status Personenschutz zu garantieren.
Nur jeder Siebte Abgeordneten unterstützt die Initiative
Die französischen Sozialisten griffen die Probleme der Islamkritikerin mit einer Initiative im Europaparlament auf. Sie wollen erreichen, dass die EU den Schutz für Hirsi Ali und künftig auch in vergleichbar gelagerten Fällen übernimmt. Ihr Vorschlag ist, dass die EU einen Fonds einrichtet, der die Kosten für Leibwächter und geschützte Wohnungen tragen soll.
Bislang haben aber nicht einmal ein Siebtel der Europaabgeordneten die Initiative unterzeichnet - und bei weitem nicht einmal die gesamte sozialistische Fraktion. Der Europaabgeordnete Benoit Hamon, Wortführer der Initiatoren, berichtete, auch Europaparlaments-Präsident Hans-Gert Pöttering stehe dem Ansinnen positiv gegenüber.
zum Konflikt zwischen Muslimen und Europäern?
Ausdrücklich warnten Hirsi Ali, Hamon und Levy davor, den Streit zum Konflikt zwischen Muslimen und Europäern hochzuspielen. Zu ihren wichtigsten Mitstreiterinnen in Frankreich zählten drei muslimische Frauen in der französischen Regierung, erinnerte Hirsi Ali - Menschenrechts-Staatssekretärin Rama Yade, Städtebau-Staatssekretärin Fadela Amara und Justizministerin Rachida Dati.
Hamon verwahrte sich auch dagegen, den Vorstoß als französisch-niederländischen Streitfall zu bewerten. In die Lage von Hirsi Ali könnten auch Staatsangehörige anderer EU-Staaten kommen.
Hirsi Ali sagte, sie fühle sich durch das von Regierungsmitgliedern in Frankreich und der Regierungspartei UMP gemachte Angebot geehrt, sie solle die französische Staatsbürgerschaft erhalten. Sie hoffe sehr, dass sie nie in die Lage komme, zwischen der niederländischen und der französischen Staatsbürgerschaft zu wählen, sagte sie. Aber angesichts der über ihr schwebenden Drohungen bleibe ihr kaum eine Wahl, als jedes Hilfsangebot anzunehmen: "Ich möchte nicht sterben."
Von Christoph Lennert (KNA)
Hirsi Ali wirbt um Beistand im EU-Parlament
Europäischer geht nicht
"Europäischer als Ayaan Hirsi Ali kann man nicht sein", meint der französische Philosoph Bernard-Henri Levy. Die aus Somalia stammende Islamkritikerin mit niederländischer Staatsbürgerschaft werde verfolgt, weil sie europäische Werte verteidige - die freie Meinungsäußerung, die Gedanken der Aufklärung, den offenen und gewaltfreien Diskurs. Im Europaparlament in Brüssel warb Levy am Donnerstag im Beisein der von Bodyguards umringten Hirsi Ali dafür, dass die EU den Personenschutz der 1969 geborenen Frauenrechtlerin übernimmt.
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