Wahl Dreiers zum Vizepräsidenten des Verfassungsgerichts ausgesetzt

Überdruck

Die für diesen Freitag im Bundesrat geplante Wahl des umstrittenen Würzburger Staatsrechtlers Horst Dreiers zum Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts ist erstmal geplatzt. Horst Dreier ist wegen seiner Haltung zur Stammzellenforschung und zur Folter besonders in der Union umstritten. Die SPD hat das Vorschlagsrecht für diese Personalentscheidung. Der Vizepräsident kann aber nur mit den Stimmen der Union gewählt werden. Mit dem Aussetzen der Wahl will die SPD den "Druck aus dem Kessel nehmen."

 (DR)

Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte Hermann Kleen, Sprecher des Bremer Regierungschefs, Jens Böhrnsen (SPD): "Bremen müsste im Bundesrat den Antrag auf Neuwahl des Vizepräsidenten des Verfassungsgerichts stellen. Darauf werden wir definitiv verzichten". Die SPD wolle damit im aufgeheizten Streit um ihren Kandidaten "den Druck aus dem Kessel nehmen", erklärte Kleen. "Das eröffnet die Chance, mit der Union in den nächsten Wochen in Ruhe einen gangbaren Weg im Fall Dreier zu finden." Bremens Regierungschef steht trotz des Widerstands aus der Union weiterhin fest zu Dreier.

Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein hatte angekündigt, dass sein Land Horst Dreier die Zustimmung im Bundesrat verweigern würde. "Ich selbst habe mich mit wichtigen Vertretern der großen Kirchen gesprochen und bin zu dem Schluss gekommen, dass Herrn Dreiers Ansichten keinesfalls zu unterstützen sind und er daher auch nicht wählbar ist", sagte Beckstein. Er sei froh darüber, "dass die Kollegen der CDU diese Auffassung teilen".

Dreier hatte als Mitglied des Nationalen Ethikrates dafür plädiert, die Verwendung embryonaler Stammzellen nach einer Einzelfallprüfung zur Behandlung von Krankheiten zu erlauben. Außerdem schließt der Staatsrechtsprofessor in dem von ihm herausgegebenen Grundgesetz-Kommentar nicht völlig aus, dass ein Verbrecher gefoltert werden dürfte, um das Leben eines Opfers zu retten. Bei vielen Juristen und bei seinen Studenten genießt Dreier hohe Wertschätzung.

Fundamentale Fragen der Wertordnung
Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Ernst Benda, hält die Vorbehalte in der Union gegen Dreier hingegen für "sehr verständlich". Benda sagte der Zeitung: "Dreier repräsentiert in fundamentalen Fragen unserer Werteordnung nicht den gesellschaftlichen Konsens." Seine Ansichten zum Schutz der Menschenwürde und des ungeborenen Lebens stießen auch bei den Kirchen oder amnesty international auf massive Vorbehalte. "Deshalb halte ich den Widerstand der Union für völlig legitim und sehr verständlich."

Kritik an Dreier kommt auch aus eher linken Kreisen. Amnesty international und Pro Asyl, die Neue Richtervereinigung und das Netzwerk Campact haben dazu aufgerufen, Dreier nicht zu wählen. Den Campact-Aufruf "Staatliche Folter muss tabu bleiben" haben bereits fast 10.000 Menschen unterschrieben.