"Die jetzigen Äußerungen ergeben gar keinen Sinn"
Die ARD-Journalistin Esther Schapira hielt am Donnerstag im ddp-Interview an ihrer Aussage fest, dass der 23-Jährige in einem Gespräch mit ihr im Oktober den Mord an dem umstrittenen Filmemacher van Gogh durch Islamisten vor drei Jahren gutgeheißen habe. Der Musiker will dagegen nichts davon wissen und spricht in einem Interview von einem "Missverständnis". Schapira nennt dies einen "Versuch, das öffentliche Image zu retten".
Sie reagiert damit auf eine Aussage Muhabbets in einem Interview mit der "Bild"-Zeitung" (Donnerstagausgabe), wonach er lediglich über mögliche Gedanken eines Fundamentalisten gemutmaßt haben will. "Das ist offenbar das Ergebnis einer intensiven Beratung mit seinem Manager", urteilt Schapira. Muhabbet sage nicht die Wahrheit. Die jetzigen Äußerungen ergäben "auch gar keinen Sinn".
Mutmaßungen, sie führe einen persönlichen Feldzug gegen den Musiker, blockt sie vehement ab. Bis zu dessen öffentlichem Auftritt mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) vor wenigen Tagen habe sie den Sänger überhaupt nicht gekannt, sagt sie. Muhabbet hatte am Montag gemeinsam mit Steinmeier und dessen französischem Amtskollegen Bernard Kouchner in Neukölln für Integration geworben. Erst anschließend habe sie sich entschlossen, öffentlich über das Gespräch zu berichten, erzählt Schapira.
Verschiedene Erinnerungen an den Abend
Die Journalistin und der Sänger liefen sich bei der Verleihung des "Prix Europa" am 20. Oktober über den Weg. Schapira und ihr Kollege Kamil Taylan bekamen dort einen Preis für einen Dokumentarfilm über die Ermordung van Goghs. Der islamkritische Regisseur wurde am 2. November 2004 in Amsterdam auf offener Straße erschossen. Gemeinsam mit Taylan und Muhabbets Manager seien sie und der Musiker ins Gespräch gekommen, sagt Schapira. Bis hierhin stimmen beide Schilderungen überein.
"Muhabbet hat gesagt, van Gogh habe Glück gehabt, so schnell gestorben zu sein", erzählt Schapira. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er den Filmemacher vorher in einen Keller gesperrt und gefoltert, zitiert sie ihn.
Muhabbet hat eine andere Erinnerung an den Abend. "Ich habe gesagt, ein fundamentalistischer Moslem kann beim Anblick einer nackten Frau in einer Moschee - wie im van-Gogh-Film - ausflippen und denken: Wer solche Bilder macht, den foltere ich erst und töte ihn dann", sagt er in dem Zeitungsinterview. Er selbst sei kein Islamist. Das Missverständnis tue ihm sehr leid.
"Die Äußerungen sind gar nicht exotisch oder ungewöhnlich"
"Was gerade auf uns einstürzt, ist beispiellos", sagt Muhabbets Manager Jochen Kühling. Er verwahrt sich, wie sein Schützling, gegen jeden Vorwurf. Die Behauptungen seien falsch, es handele sich um ein Missverständnis, beteuert er.
Auch Steinmeier hat Muhabbet mittlerweile in Schutz genommen. Es gebe offenbar zwei Versionen des Gespräches, heißt es im Auswärtigen Amt. Der Minister sehe aber keine Anhaltspunkte dafür, dass die Vorwürfe zuträfen. Seit zwei Jahren beteiligt sich der Sänger laut Behörde an Projekten der Bundesregierung. Vorbild soll er sein - für Integration und gegen Gewalt - das betont Muhabbet selbst. Folter- und Mordgelüste passten nicht in dieses Bild.
Schapira kann dem Streit auch etwas Gutes abgewinnen. Vielleicht liefere die aktuelle Diskussion eine Möglichkeit, über die widersprüchlichen Gedanken junger Moslems zu reden. "Die Äußerungen sind gar nicht exotisch oder ungewöhnlich, sie werden nur oft ausgeblendet", sagt sie. "Ich bin sicher, dass es eine ganze Reihe von jungen Muslimen gibt, die so denken." Es gebe nicht nur zwei Seiten - entweder Islamist oder Integrationsvorbild, meint die Journalistin. "Es existiert nicht nur schwarz-weiß, sondern auch jede Menge grau."
Journalistin und deutsch-türkischer Musiker ringen um die Wahrheit
Weiter Wirbel um Muhabbet
Der Streit um angebliche Äußerungen des deutsch-türkischen Musikers Muhabbet zum Mord am niederländischen Filmemacher Theo van Gogh geht weiter. Die ARD-Journalistin Esther Schapira hält an ihrer Aussage fest. Der Musiker bestreitet weiterhin.
Share on