NRW soll 144.000 Betreuungsplätze für Kleinkinder bekommen

Kibiz in trockenen Tüchern

Die Düsseldorfer Landesregierung will die Kindergartenplätze für unter Dreijährige bis 2013 von 16.000 auf 144.000 erhöhen. Das kündigte Familienminister Armin Laschet (CDU) am Mittwoch bei der zweiten Lesung des umstrittenen Kinderbildungsgesetzes (Kibiz) im Landtag an. Laschet appellierte an die Kirchen, die mehr als die Hälfte der 9.500 Kitas in NRW betreiben, sich am Ausbau der Plätze für Kleinkinder zu beteiligen. Nur dann sei die Absenkung ihres Trägeranteils von 20 auf 12 Prozent gerechtfertigt.

 (DR)

Die Oppositionsfraktionen von SPD und Grünen übten scharfe Kritik am Kibiz, das am Donnerstag im Landesparlament nach der dritten Lesung verabschiedet und zu Beginn des nächsten Kindergartenjahres am 1. August 2008 in Kraft treten soll. Der Minister bekräftigte die Absicht der Landesregierung, ab dem Kindergartenjahr 2010/2011 für alle Zweijährigen einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz einzuführen. Nach einer Umfrage des Deutschen Jugendinstituts würden rund 75.000 Eltern in NRW diesen in Anspruch nehmen. Derzeit gibt es im bevölkerungsreichsten Bundesland nur 16.000 Plätze für Kinder unter drei Jahren. Damit rangiert NRW im Bund am Tabellenende.

Laschet betonte, dass er nach langen Verhandlungen mit den beiden Kirchen, den sechs Wohlfahrtsverbänden und den drei kommunalen Spitzenverbänden in allen substanziellen Punkten von Kibiz Einigkeit erzielt habe. "Wir schauen auf das einzelne Kind und nicht auf festgefahrene Strukturen", die sich unter der rot-grünen Vorgängerregierung in den Kindergärten über Jahrzehnte etabliert hätten, erklärte der Minister.

Die kinderpolitische Sprecherin der Grünen, Andrea Asch, warf den Koalitionsparteien von CDU und FDP vor, dass sie den geplanten Rechtsanspruch nicht im Kibiz verankert hätten. "Sie täuschen die Öffentlichkeit und streuen ihr Sand in die Augen. Ihr Rechtsanspruch ist lediglich eine Absichtserklärung", sagte Asch an die Regierungsfraktionen gewandt. Von dem als "großen Wurf" angekündigten Kinderbildungsgesetz sei "nichts übrig geblieben".

Familienminister Laschet sei mit seinen Ursprungszielen gescheitert und habe bei einer entscheidenden Zukunftsfrage für das Land versagt. Asch wörtlich: "Kibiz ist Murks."

Kritik äußerten auch die Redner der SPD-Opposition an dem Kinderbildungsgesetz. "Mit diesem Verwahr- und Spargesetz bekommt NRW das europaweit wohl schlechteste Kindergartengesetz", erklärte der jugendpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Wolfgang Jörg. Das finanziell unzureichend ausgestattete Gesetz werfe die Kindergartenpolitik des Landes "um 30 Jahre zurück". Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Britta Altenkamp prognostizierte, dass sich Kibiz in seiner Umsetzung als "untauglich" erweisen werde. "Das ist der Anfang vom Ende dieser Landesregierung."

Der FDP-Koalitionspartner, der während der Gesetzesberatung erfolgreich auf Änderungen am Kibiz gedrungen hatte, verteidigte den Familienminister. Die rot-grüne Opposition habe "durch Desinformation und ideologischen Nebel" über das Kibiz "Ängste geschürt, Träger verunsichert und Eltern auf die Palme gebracht", so der kinderpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Christian Lindner. Durch die Einführung eines Einrichtungsbudgets verschaffe das neue Gesetz den Trägern "eine hohe Planungssicherheit" und gewährleiste durch die Parameter bei den Größen der Kita-Gruppen mit zwischen 18 und 22 Kindern "einen verbindlichen pädagogischen Standard". Lindner räumte ein, dass sich das Kibiz vor Ort durchaus unterschiedlich auswirken könne.

Mit 9.500 Einrichtungen in 396 Städten und Gemeinden sei die Kindergarten-Landschaft in NRW "hoch differenziert".

Das Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln war Anfang dieser Woche in einer Landtags-Anhörung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kommunen für den Ausbau der frühkindlichen Bildung zusätzliche Mittel benötigten. Es sei "fraglich", ob ihnen die nach Kibiz vorgesehene Refinanzierung ihrer Kindergartenkosten in Höhe von 19 Prozent über die Elternbeiträge gelinge. Das Institut empfahl den Landtagsabgeordneten, die Ausgaben je Kind bei der frühkindlichen Bildung zu erhöhen, eine Höherqualifizierung der Erzieherinnen anzustreben und die Elternbeiträge in den letzten beiden Kindergartenjahren vor der Einschulung abzuschaffen.