Türkischer Präsident Gül prangert religiösen Extremismus an

Antrittsbesuch beim Europarat

Der neue türkische Präsident Abdullah Gül hat sich im Europarat gegen religiösen Extremismus jeglicher Art ausgesprochen. Die internationale Gemeinschaft spalte sich zusehends entlang religiöser und kultureller Grenzen auf, sagte Gül bei seinem Antrittsbesuch vor der Parlamentarierversammlung des Europarates in Straßburg.

 (DR)

"Mutig und entschieden auftreten"
Die gemäßigten Kräfte aller Seiten seien aufgerufen, "genauso mutig und entschieden aufzutreten wie die Extremisten". Staat und Religion blieben in der Türkei auch in Zukunft getrennt, betonte Gül. Es werde Veränderungen geben, "aber in Richtung der Europäischen Union". Die Türkei werde ihren Reformkurs fortsetzen, der die Achtung von Demokratie und Menschenrechten einschließe.

Gül hatte im August im dritten Wahlgang die Präsidentenwahl gewonnen.
Der 56-Jährige ist der erste Politiker in dem Spitzenamt, der sich offen zu seinen islamischen Überzeugungen bekennt. Die Türkei versteht sich seit ihrer Gründung durch Kemal Atatürk als streng laizistischer Staat. Insbesondere bei Vertretern des türkischen Militärs hatte Güls Kandidatur für Unruhe gesorgt.

Meinungsfreiheit: "Verbesserungsmöglichkeiten"
Indirekt befürwortete Gül die von seiner Partei AKP vorgeschlagene Abschaffung des Kopftuchverbotes in Universitäten. Die Mehrheit der Frauen in der Türkei trage ein Kopftuch, sagte der Präsident. Das Recht auf Bildung sei ein wichtiges Grundrecht. Güls Ehefrau Hayrünnisa hatte während ihres Studiums vor dem Menschenrechtsgericht des Europarats eine Klage gegen das Kopftuchverbot eingereicht. Der Gerichtshof hatte das Verbot jedoch später als rechtens bewertet.

Hinsichtlich der Meinungsfreiheit in der Türkei räumte Gül "Verbesserungsmöglichkeiten" ein. Er befürwortete eine Reform des Artikels 301 des Strafgesetzbuchs, der die "Beleidigung des Türkentums" unter Strafe stellt. Allerdings würden im Ausland in dieser Frage häufig Kampagnen gegen die Türkei betrieben, sagte er. In der Türkei werde niemand allein deshalb inhaftiert, weil er seine Meinung geäußert habe.