Im Mittelpunkt der Handlung, die sich in Bremen, Hamburg und
Istanbul abspielt, steht der türkischstämmige Germanistik-Professor
Nejat Aksu (Baki Davrak), dessen verwitweter Vater Ali (Tuncel
Kurtiz) eine Beziehung mit der Prostituierten Yeter Öztürk (Nursel
Köse) eingeht. Yeter finanziert als Hure das Studium ihrer Tochter
Ayten (Nurgül Yeiliçay) im fernen Istanbul. Wenngleich Nejat Respekt
für Yeter empfindet, gestaltet sich die Kommunikation mit seinem
Vater immer schwieriger, weil er dessen genusssüchtigen Lebenswandel
missbilligt. Das ungleiche Vater-Sohn-Paar sorgt speziell im ersten
Drittel des Plots für humorvoll aufgelockerte Dialoge.
Als Yeter nach einem Streit mit dem angetrunkenen Ali stirbt, löst
das Ereignis eine Zäsur in Nejats Leben aus. Er wendet sich von
seinem Vater ab, lässt seine akademische Karriere sausen und begibt
sich nach Istanbul, um Yeters Tochter ausfindig zu machen.
Ausgerechnet den umgekehrten Weg beschreitet Ayten, die als
politische Aktivisten vor dem Druck der türkischen Staatsgewalt nach
Deutschland flieht. Zufällig trifft sie auf die Studentin Lotte
Staub(Patrycia Ziokowska), die die mittellose Ayten im Haus ihrer
Mutter Susanne (Hanna Schygulla) aufnimmt. Lottes Mutter ist wenig
begeistert von der neuen Mitbewohnerin, die ihre politische Ansichten
energisch vertritt. Die intensive Beziehung zwischen Lotte und Ayten
wird durch die Verhaftung und Abschiebung Aytens abrupt unterbrochen.
Ein weiterer Todesfall in Istanbul führt die Wege der Figuren in der
türkischen Metropole noch enger zusammen.
Mitunter wirkt «Auf der anderen Seite» zu ambitioniert, weil Akin
viele Themenbereiche gleichzeitig auf den Zuschauer einprasseln lässt
und miteinander vermengt: Zwischen gleichgeschlechtlicher Liebe,
politischem Aktivismus, kultureller Identität und Bildung als
essentiellem Menschenrecht vollzieht der Film ständig
Richtungsänderungen, die oft ablenken. Hauptthema ist jedoch die
Leidenschaft, die Landesgrenzen und selbst Widrigkeiten wie dicke
Gefängnismauern letztendlich überdauert.
Im Gegensatz zu seinem großen Leinwanderfolg «Gegen die Wand»
inszeniert Fatih Akin den bewussten Bruch der Figuren mit ihrem
bisherigen Leben trotz teilweise tragischer Folgen versöhnlicher.
Optisch ruhiger und ohne den Einsatz brachialer Gewaltexzesse
präsentiert er sich als gereifter Erzähler. Das schicksalhafte
Scheitern der Akteure erleichtert es zudem, dem Verhalten Aytens,
Lottes oder Alis, die mit ihrer Sturheit ihnen nahestehende Personen
in prekäre Situationen bringen, mit der nötigen Milde zu bewerten.
Als Identitätssuchender Nejat Aksu brilliert von dem
Darstellersensemble vor allem Baki Davrak, der zurückhaltend, nahezu
unterkühlt agiert, aber dadurch auch kleinste Gefühlsregungen
effektvoll darstellt. Beim diesjährigen 60. Filmfestival von Cannes
wurde «Auf der anderen Seite» mit dem Preis für das beste Drehbuch
ausgezeichnet. Zudem geht er als deutscher Beitrag ins Rennen um den
besten nicht-englischsprachigen Film bei der Oscar-Verleihung 2008.
Fatih Akin stellt seinen neuen Film vor
Eine Deutsch-Türkische Reise
Es geht um Sehnsüchte, persönliche Verluste und der
daraus resultierenden Suche nach der eigenen Identität: In seinem
neuen Film «Auf der anderen Seite» schickt Regisseur und
Drehbuchautor Fatih Akin («Gegen die Wand») seine Protagonisten auf
eine wechselhafte Reise durch Deutschland und die Türkei. Die
Charaktere unterschiedlich kultureller Prägung verbindet dabei der
Versuch, ihrem Leben nachhaltig einen Sinn zu geben.
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