Privatisierungspläne der Bahn werden heftig kritisiert

Flächendeckendes Bahnangebot gefährdet?

Im Streit um die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn sieht Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) offenbar noch Spielraum für Verhandlungen. Im RBB-Inforadio sagte er am Dienstag, er sei mit den Ländern im Gespräch. Dabei gehe es auch um Geld: "Wir werden sehen, wie wir in den nächsten Wochen zueinanderkommen." Der Deutsche Städte- und Gemeindebund befürchtet, dass ein flächendeckendes Bahnangebot nicht mehr gewährleistet sei.

 (DR)

Tiefensee widersprach Befürchtungen der Länder, die Bahn könne die Mietpreise für Trassen über Gebühr erhöhen und damit den Regionalverkehr belasten: Es gebe bei den Trassenpreisen einen Mechanismus, der durch die Bundesnetzagentur überwacht wird. "Es dürfen hier keine abenteuerlichen Kosten auf die Länder abgewälzt werden", betonte er. Der Bund habe ein Interesse an einem flächendeckenden Regionalverkehr.

Ländliche Regionen verlieren
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) sieht sich durch das neue Gutachten zur Bahnreform in seiner Kritik an den geplanten Privatisierungsabsichten der Bundesregierung bestätigt. So habe bei den Kommunen von Anfang an die Sorge bestanden, dass durch Streckenstilllegungen und den Wegfall kleinerer Bahnhöfe vor allem die Bürger in den ländlichen Regionen die Verlierer der Reform seien, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der Chemnitzer "Freien Presse" (Dienstagausgabe) laut Vorabbericht. Er nannte es "verfassungswidrig", wenn die Bahn und die privaten Miteigentümer das Schienennetz erhielten.

Gerade in einer immer älter werdenden Gesellschaft seien die Menschen auf die öffentlichen Verkehrsmittel und damit auf die Bahn angewiesen. Außerdem sei eine funktionierende Infrastruktur auch ein entscheidender Wirtschaftsfaktor für die Region. Vor allem im Osten sei der Bahnverkehr wichtig, um den Aufschwung fortzusetzen.

Nach Auffassung von Landsberg ist es ein Widerspruch, wenn die Politik immer mehr Anstrengungen zum Klimaschutz fordert und gleichzeitig das klimafreundlichste Verkehrsmittel, die Bahn, in der Fläche gefährdet. Nötig seien nicht nur Fernverbindungen zwischen den Metropolen, sondern eine flächendeckende Eisenbahnstruktur.

Kritik aus Union
Der Vorstand der Unions-Bundestagsfraktion fordert offenbar weitreichende Änderungen des Gesetzentwurfs. Die Dortmunder "Ruhr Nachrichten" (Dienstagausgabe) berichteten vorab, die Fraktionsführung habe sich am Montag auf einen zweiseitigen Forderungskatalog verständigt.

Gefordert würden vom Vorstand der Unions-Bundestagsfraktion Änderungen in fünf Punkten, schrieb das Blatt. So solle der Bund unter anderem das Recht erhalten, Entscheidungen über Infrastrukturinvestitionen der Bahn notfalls auch gegen das Unternehmen durchsetzen können. Für die Umsetzung der vom Gesetzgeber beschlossenen Bedarfsplanmaßnahmen müsse dem Bund auch ein Durchsetzungsrecht und dem Netzbetreiber weiterhin ein Initiativrecht eingeräumt werden.

Zudem müsse die Bundesnetzagentur in die Lage versetzt werden, "Entgelte für die Eisenbahninfrastruktur zu verhindern, die einseitig die Wettbewerber der DB AG belasten". Nach den Plänen der Bundesregierung bliebe der Bund zwar juristischer Eigentümer des Schienennetzes, der Konzern übernähme jedoch für zunächst 15 bis 18 Jahre die Bewirtschaftung und könnte auch Trassenentgelte für andere Bahnbetreiber festlegen.

Nordrhein-Westfalens Verkehrsminister Oliver Wittke (CDU) bekräftigte seine Kritik an den Teilprivatisierungsplänen. Durch den Gesetzentwurf sei nicht sichergestellt, dass die Verfügbarkeit über das Netz dauerhaft beim Bund bleiben werde, sagte Wittke am Dienstag im Deutschlandfunk.

Mehrheit der SPD-Abgeordneten gegen Privatisierung
SPD-Fraktionsvize Scheer rechnet gar mit einem Scheitern der geplanten Bahnprivatisierung. "Sie kommt nicht. Davon bin ich überzeugt" sagte Scheer dem Online-Magazin der Zeitschrift "stern", stern.de, am Dienstag. Als Gründe nannte Scheer den Widerstand in der Bevölkerung, den Ländern und innerhalb der SPD. Unter den 222 sozialdemokratischen Abgeordneten im Parlament sei die "überwiegende Mehrheit" gegen die Börsenpläne, auch wenn sie aus Parteiräson eventuell anders abstimmen würden. Darüber hinaus hätten sich bereits elf SPD-Landesverbände gegen die Privatisierung ausgesprochen.

Bahn hält an Privatisierungsplänen fest
Deutsche-Bahn-Vorstand Otto Wiesheu betonte dagegen das Interesse seines Unternehmens an einer Teilprivatisierung. Die Bahn müsse sich immer stärker ausländischer Konkurrenz stellen, sagte Wiesheu am Montagabend in den ARD-"Tagesthemen". Viele ausländische Bahnunternehmen müssten zu Hause weniger Geld für Diesel und Personal ausgeben als die Deutsche Bahn. Um dem zu begegnen, brauche sein Unternehmen Geld, um in neue Technik zu investieren.

Am Montag wurde in Berlin ein Gutachten zur Bahnprivatisierung vorgestellt, das die Länder in Auftrag gegeben hatten. Die Verfasser des Gutachtens zweifeln unter anderem daran, dass die Privatisierung verfassungsgemäß sei. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee(SPD), der die Pläne für "vollkommen verfassungskonform" hält, will die Studie am 25. September mit seinen Länderkollegen auf der Verkehrsministerkonferenz in Merseburg diskutieren.