Heiße Debatten um Namen für neue EU-Gebäude

Höchstens ein Saal für die Kirche

Die Bauarbeiten am Brüsseler Luxemburgplatz nähern sich ihrem Ende. Hinter den Fassaden der neuen Flügel des Europaparlaments arbeiten auf der einen Seite noch die Handwerker. Auf der anderen Seite sind dagegen schon die Büroräume bezogen worden. Doch noch heißen die rechts und links vom ehemaligen Luxemburg-Bahnhof errichteten Gebäude so prosaisch wie sie aussehen: "D4" und "D5".

 (DR)

Churchill und Adenauer
Das passt schlecht zu den anderen Gebäuden des Europaparlaments.
Die erinnern mit ihren Namen nämlich an große Europäer: den Belgier Paul-Henri Spaak (1899-1972) und den Italiener Altiero Spinelli (1907-1986). Die Pazifistin und Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner (1843-1914) gehört nicht mehr dazu: Der einst nach ihr benannte Komplex wird jetzt vom EU-Ausschuss der Regionen genutzt.

So ist derzeit die französischen Journalistin und Frauenrechtlerin Louise Weiss (1893-1983) die einzige Frau, die als Namenspatronin über ein Gebäude des Europaparlaments wacht. Nach ihr ist der zentrale Parlaments-Neubau in Straßburg benannt, wo zudem mit Gebäudenamen an Winston Churchill (1874-1965) und den spanischen Diplomaten Salvador de Madariaga (1886-1978) erinnert wird. In Luxemburg trägt ein Gebäude des Europaparlaments den Namen des früheren deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer (1876-1967).

Umstrittene Namenswahl
Ob nun "D4", "D5" und der ehemalige Luxemburg-Bahnhof dazwischen einen, zwei oder drei Namen erhalten sollen, das ist zwischen den politischen Gruppierungen - aber auch innerhalb der Fraktionen - ebenso umstritten wie die Wahl der Namen selbst. Bei der christdemokratisch-konservativen EVP-Fraktion gibt man sich bedeckt. Bestätigt wird nur, dass es unterschiedliche Auffassungen gibt.

Auch bei den Sozialisten herrscht offenbar keine Einmütigkeit - selbst wenn der Name des früheren Bundeskanzlers und Friedensnobelpreisträgers Willy Brandt (1913-1992) aus SPD-Kreisen genannt wird. Der war immerhin von 1979 bis 1983 Europaabgeordneter. Die Grünen haben die Frage ebenfalls noch nicht ausdiskutiert. Für sie ist indes klar, dass vor allem Frauen zum Zuge kommen sollen.

"Kaczynski-Towers" - guter Scherz
Daran aber mangelt es bei den Vorschlägen. Laut Medienberichten wurden neben Brandt auch Nelson Mandela, Olof Palme, Karol Wojtyla/Papst Johannes Paul II. und Vaclav Havel genannt, heißt es. Dass für die Zwillings-Gebäude die Benennung "Kaczynski-Towers" nach dem polnischen Politiker-Zwillingspaar vorgeschlagen worden sei, wie das Insider-Medium "EUobserver" berichtete, halten Beobachter für einen Scherz. Auch Margaret Thatcher sei - obwohl Frau - chancenlos.

Wohl werden die Unterhändler versuchen, sich vor der für spätestens Mitte Oktober geplanten Entscheidung auf ein Gesamtpaket zu einigen. Dabei könnten auch Namen für Sitzungssäle vergeben und somit unterlegene Kandidaten für die Gebäudebenennung berücksichtigt werden. Schon jetzt gibt es einen Saal, der nach der deutschen Grünen-Politikerin Petra Kelly
(1947-1992) benannt ist. Ein anderer erinnert an Anna Lindh, die
2003 ermordete schwedische Außenministerin. Gerade schlugen die Liberalen vor, den Pressesaal des Parlaments nach der ermordeten russischen Journalistin Anna Politkowskaja zu benennen.

Pötterin wünscht sich "Johannes Paul II"-Saal
Dass ein "Johannes Paul II"-Saal im Rahmen eines solchen Pakets geprüft werden möge, das hatte der heutige Europaparlaments-Präsident Hans-Gert Pöttering noch kurz vor seinem Amtsantritt in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) gewünscht. Pöttering entscheidet freilich nicht alleine: Das Europaparlaments-Büro stimmt über die Vorschläge ab. Diesem Gremium gehören neben ihm die 14 Vize-Präsidenten und 6 Quästoren des Parlaments an.

Trösten mag die Unterlegenen, dass im Europaparlaments-Alltag die Namen ohnehin auf Abkürzungen reduziert werden: "PHS", "ASP", "LOW" und "WIC". Vielleicht werden sich die Abgeordneten mit Shakespeare aber auch daran erinnern, dass es vor allem auf die Politik ankommt, die in den Gebäuden gemacht wird. Oder, wie es in "Romeo und Julia" heißt: "Was ist ein Name? Was uns Rose heißt, wie es auch hieße, würde lieblich duften..."

Von KNA-Mitarbeiter Christoph Lennert