Kinderschutzbund fordert von Regierung Sofortmaßnahmen

"Kinder nicht zu Hartz IV erziehen"

In Deutschland leben nach Angaben des Deutschen Kinderschutzbunds weit mehr Kinder und Jugendliche in Armut als offiziell angegeben. DKSB-Präsident Heinz Hilgers sprach am Montag in Berlin von 2,6 Millionen Minderjährigen. Das sei skandalös. Zugleich warf er der schwarz-roten Koalition vor, bei dem Bemühen um eine bessere Förderung dieser Kinder den Koalitionsvertrag von 2005 gebrochen zu haben und untätig zu bleiben.

 (DR)

Jedes Jahr zählt
Der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, hat die Bundesregierung aufgefordert, schnell gegen Kinderarmut aktiv zu werden. Der Kinderzuschlag für Geringverdiener müsse deutlich auf 175 Euro pro Monat erhöht werden, verlangte Hilgers am Montag in Berlin. Ab dem dritten Kind sollten 225 Euro gezahlt werden. Das aufwendige Antragsverfahren müsse wegfallen und der Kinderzuschlag von der Kindergeldkasse ausgezahlt werden, solange die Eltern bedürftig seien.

Hilgers kritisierte, die Koalition habe ihre Versprechen gegenüber den Armen bereits gebrochen. Sie habe den Kinderzuschlag 2006 reformieren wollen. Auch nach den Koalitionsgesprächen in Meseberg werde voraussichtlich bis 2008 nichts passieren. Für die Zukunftschancen eines Kindes zähle aber jedes Jahr.

2006 erhielten nach Angaben des Familienministeriums rund 140.000 Kinder den derzeitigen Kinderzuschlag von bis zu 140 Euro im Monat. Das Kabinett hat in Meseberg beschlossen, den Zuschlag nun im Rahmen der Hilfen für Geringverdiener zu reformieren.

Fast zwei Millionen Kinder in Hartz IV
Die Bundesagentur für Arbeit hatte im März 1,92 Millionen Kinder unter 15 Jahren in Hartz-IV-Haushalten gezählt. Im Vergleich zum Vorjahr sei die Kinderarmut um 17 Prozent angestiegen, sagte Hilgers. Das seien 70.000 Kinder mehr in Hartz IV als im März 2006 und ein neuer Höchststand. Diese Zahlen über die wachsende Kinderarmut seien noch zu niedrig angegeben, sagte Hilgers. Rechne man alle unter 18-Jährigen sowie die Kinder von Asylbewerbern und nicht erwerbsfähigen Eltern ein, lebten im März dieses Jahre 2,6 Millionen Kinder von Hartz-IV-Leistungen oder Sozialhilfe.

Hilgers warf der Bundesregierung vor, sie habe bisher kein Interesse für das Thema Armut gezeigt. Er zeigte sich aber zuversichtlich, dass sich dies beim Kinderzuschlag ändern könne. Wer voll arbeite, müsse auch zwei oder drei Kinder ernähren können, so Hilgers. Ein Mindestlohn helfe nur Alleinstehenden oder Paaren ohne Kinder. Nach Berechnungen seines Verbandes hätten Eltern bei einem Kinderzuschlag von 175 beziehungsweise 225 Euro ein etwas höheres Einkommen, als sie es als erwerbstätige Hartz-IV-Empfänger (Aufstocker) bei einem Stundenlohn von 7,50 Euro erwirtschaften können.

Hilgers bekräftigte zudem Forderungen des Kinderschutzbundes nach der Wiedereinführung einmaliger Beihilfen für Kinderkleidung und Schulsachen sowie nach einem kostenlosen Mittagessen in Schulen und Kindergärten für Kinder, deren Eltern von Hartz IV leben. Die Kosten sollten direkt von der Bundesagentur für Arbeit und den Sozialhilfeträgern an die Schulen überwiesen werden, sagte Hilgers. Zudem müsse die Kinderbetreuung schnell ausgebaut werden, damit Mütter und Väter arbeiten könnten. Für Eltern mit geringen Einkommen müsse sie kostenlos sein.