Die Papstroute durch Köln und ihr spiritueller Hintergrund

„Die Fackel der Heiligkeit“ christlicher Glaubenszeugen in Köln

 (DR)

Brauchtumsforscher Dr. Manfred Becker-Huberti erläutert die Hintergründe der Wege und Orte, die Papst Benedikt heute in Köln besuchte

Das menschliche Dasein sei eine „Pilgerschaft unter der Führung des Sterns auf der Suche nach dem Herrn“, hatte Papst Benedikt XVI. bereits am Mittag auf dem Köln/Bonner Flughafen bei seiner Begrüßung zum XX. Weltjugendtag gesagt. Wenn er als Pilger den Heiligen Drei Königen nachfolge, um bei der „Suche nach Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe“ das endgültige Ziel „nur durch die Begegnung mit Christus zu finden“, so denke er aber auch an die übrigen Zeugen der christlichen Kultur, die in Köln in lebendiger Erinnerung seien. Namentlich nannte der Papst die Heiligen Bonifatius, Ursula, Albertus Magnus, Edith Stein und den seligen Adolph Kolping.

Auf dem Rhein in Höhe der Poller Rheinwiesen bekräftigte der Heilige Vater seinen Ansatz: „Ich werde mich nun als Pilger zum Kölner Dom begeben, um dort die Reliquien der Heiligen Drei Könige zu verehren … Die Reliquien führen uns zu Gott selbst. Er ist es nämlich, der mit der Kraft seiner Gnade schwachen Menschen den Mut verleiht, ihn vor der Welt zu bezeugen.“ Und Papst Benedikt XVI. fuhr fort: „Die Reliquien der Heiligen sind Spuren jener unsichtbaren, aber realen Gegenwart, welche die Finsternis der Welt erhellt, indem sie das Reich Gottes sichtbar macht, das in uns ist.“

Diesen Gedanken setzte der Papst bei seiner Ansprache auf dem Roncalliplatz fort, als er erklärte, warum die Stadt Köln im Mittelalter zum „Heiligen Köln“ wurde: „Sie ist tiefgehend geprägt von der Gegenwart vieler Heiliger.“ Und wieder nennt er einige beim Namen: Ursula, Bonifatius, Albertus Magnus mit seinem Schüler Thomas von Aquin, Adolph Kolping und Edith Stein, Gereon und die Angehörigen der Thebäischen Legion.

Die Rückfahrt des Papstes vom Kölner Dom zum Erzbischöflichen Haus war geradezu eine Hommage zu Ehren der Kölner Heiligen. Der Heilige Vater „berührte“ ihre Kirchen oder Orte der Verehrung.

Die Minoritenkirche, eigentlich St. Mariä Empfängnis; wurde als erste gotische Kirche Kölns ab 1245 bis 1260 von den Franziskanern erbaut. Als die Franziskaner zu Anfang des 19. Jahrhunderts vertrieben wurden, gelangte das Gebäude 1808 in den Besitz der städtischen Armenverwaltung und blieb so erhalten. Heute wird die Kirche von den Franziskanern und dem =lpingwerk genutzt. Sie birgt Grablegen für zwei herausragende Persönlichkeiten. Der selige Johannes Duns Skotus (1265-1308) war ein franziskanischer Theologe aus Schottland. Im Jahre 1291 erhielt er die Priesterweihe. Nach Köln kam er 1307. Er gilt als Vorkämpfer für den Christkönigsgedanken und der Lehre von der Unbefleckten Empfängnis Mariens. Er starb am 8. November 1308 in Köln und wurde in der Minoritenkirche in Köln beigesetzt. Die gleiche Kirche beherbergt das Grab von Adolph Kolping. Am 8. Dezember 1813 wurde er in Kerpen bei Köln geboren. Er stammte aus einer kinderreichen Arbeiterfamilie. Auf der Wanderschaft als Schuhmachergeselle lernte er das Elend der Handwerksgesellen kennen. Im Jahre 1845 wurde er zum Priester geweiht und gründete 1849 als Domvikar in Köln einen Gesellenverein. Auf zahlreichen Reisen verbreitete er die Idee des Gesellenvereines in Deutschland, Österreich, in der Schweiz und in Nordamerika. Ziel dieses Vereines waren Weckung des Familiengeistes, Erziehung zur Ehre und Berufstüchtigkeit. Am 4. Dezember 1865 verstarb Adolph Kolping; seine Gebeine ruhen seitdem in der ehemaligen Minoritenkirche zu Köln. Papst Johannes Paul II. sprach den „Gesellenvater“ am 27. Oktober 1991 selig.

Die Andreaskirche geht auf den Neubau einer Kirche unter Erzbischof Gero 974 zurück, an dem später weitergebaut wurde. Die heutige Erscheinung hat die Chorherren-Stiftskirche im 13. Jahrhundert erhalten. Im 15. Jahrhundert wurde der romanische Chor durch einen gotischen ersetzt. 1802 wurde St. Andreas Pfarrkirche. St. Andreas ist Grabkirche des mittelalterlichen dominikanischen Universalgelehrten  =span>Albertus, der den Beinamen „Magnus“ = „der Große“ erhielt. Albertus Magnus wurde um 1200 in Lauingen (Schwaben) geboren, empfing er seine erste Ausbildung in Padua und trat dort 1223 in den Dominikanerorden ein. Seine theologische Ausbildung erhielt er in Köln. 1245 wurde er Professor der Theologie in Paris. Im Auftrag des Ordens errichtete er 1248 das Generalstudium der Dominikaner in Köln und lehrte dort bis 1260, unterbrochen von seiner Tätigkeit als Provinzial (1254-1257). In Köln waren u. a. Thomas von Aquin und Ulrich von Straßburg seine Schüler. Eng mit seiner Lehrtätigkeit ist sein weit ausgreifendes philosophisches und theologisches Werk verbunden, in dem er alle Texte =mmentierte, auf die sich die Wissenschaft seiner Zeit bezog, um sicheres Wissen über die Wirklichkeit im Ganzen zu erlangen. Papst Alexander IV. berief ihn 1260 zum Bischof von Regensburg. Nach nur zwei Jahren legte er sein Amt nieder und wirkte 1263/64 als Kreuzzugsprediger. Seit 1270 bis zu seinem Tode am 15. November 1280 lebte er wiederum in Köln. Ursprünglich war er in der Dominikanerkirche Heilig Kreuz bestattet, die sich einmal wenige Schritte weiter befand. Heute sind seine Gebeine in einem römischen Sarkophag bestattet, der aus St. Ursula stammt, genau unter dem Altar der Vierung. Das Erzbistum Köln pflegt sein Andenken, indem es seit 1931 die historisch-kritische Ausgabe seiner Werke (Editio Coloniensis) im Albertus-Magnus-Institut betreibt.

Der Ursprung der von den Kölnern geliebten Kirche Maria in der Kupfergasse liegt im 17. Jahrhundert, als aus den Niederlanden vertriebene Nonnen um 1660 Kloster und Kirche errichteten. Möglicherweise aus den Niederlanden mitgebracht hatten die Nonnen eine Madonna, geschnitzt aus Lindenholz, die wahrscheinlich mit der Zeit durch Alter, Kerzen und Weihrauch eine dunkle Farbe bekam. Die als wundertätig geltende „Schwarze Muttergottes“ wurde im Zweiten Weltkrieg von einer Nonne aus der brennenden Kirche gerettet. Über die Jahrhunderte ist die Plastik durch gestiftete Juwelen, Kronen, Ringe und kostbare Gewänder geehrt worden. Sie ist Gegenstand der Kölner =lksfrömmigkeit. „En Kääz en der Koffergaß opstelle“ beschreibt das Verhalten der Menschen, die sich bei der Muttergottes bedanken oder von ihr etwas erbitten.

Der Weg führt Papst Benedikt XVI. auch über die Mohrenstraße, die Bezug zu den Heiligen Drei Königen hat. Das gilt in Köln auch noch für andere Straßen: die Dreikönigenstraße, die es gleich zweimal in Köln gibt, die Balthasarstraße, die Kasparstraße, ebenfalls zweimal vertreten, und die Melchiorstraße. Natürlich gibt es auch eine Dasselstraße, die an den Kölner Erzbischof Rainald von Dassel erinnert, der als Reichskanzler 1164 die Gebeine der Heiligen Drei Könige nach Köln gebracht hat.

In kurzer Entfernung davon steht St. Gereon. Dies ist nach dem Kölner Dom die zweitehrwürdigste Kölner Kirche, auf einem römischen Gräberfeld im 4. Jahrhundert entstanden. Der Legende nach hat die Kaiserinmutter Helena den Anstoß zum Kirchbau gegeben. Bischof Gregor von Tours hat diese Kirche um 590 als „ad santos aureos“, zu den goldenen Heiligen bezeichnet. Diese abgebildeten Heiligen wurden bald mit dem römischen Martyrer und Kölner Stadtpatronen Gereon in Verbindung gebracht, der zusammen mit den von ihm befehligten Soldaten der Thebäischen Legion in der Gegend des heutigen Ehrenfeld für den christlichen Glauben ermordet wurde. Die Leichen sollen in einen Brunnen geworfen worden sein, der sich an der Stelle der heutigen Kirche befunden haben soll. Im 11. bis zum 13. Jahrhundert gewann die Kirche ihre heutige Form. Das ursprüngliche Oval wurde dabei zu einem Dekagon, einem Zehneck. Die Kuppel der Kirche St. Gereon galt als die bedeutendste neben der der Hagia Sophia in Konstantinopel und später der des Florentiner Doms. Gereon lebte um das Jahr 290 zu Zeiten des fränkischen Bischofs Gregor von Tours und Kaiser Maximinians. Er war als Offizier Truppenführer einer Abteilung innerhalb einer Legion, die zum Rhein geschickt wurde, um Gruppen aufständischer Germanen aufzuspüren. In Köln angekommen, erreichte sie der kaiserliche Befehl, durch ein Weiheopfer vor den römischen Göttern die Treue zum Kaiser zu beweisen. Die Männer waren jedoch Christen und weigerten sich, diesem Ritual zu folgen. Daraufhin wurde Gereon als erster, danach seine Abteilung enthauptet und in einen Brunnen geworfen. Über diesem Brunnen als Massengrab wurde eine Basilika errichtet.

Schräg gegenüber von St. Gereon, an der Ecke zur Kardinal-Frings-Straße, steht das Denkmal der Edith Stein. Der Heiligen ohne Reliquien – im KZ vergast und dann verbrannt- haben die Kölner Katholiken durch den Düsseldorfer Künstler Bert Gerresheim ein Denkmal gesetzt, das sie in ihren drei Lebensabschnitten zeigt: als Jüdin, Philosophin und als Nonne, die für ihren Glauben starb. Geboren wurde sie am 12. Oktober 1891 und wuchs in einer geistig regen, streng jüdischen Familie auf. In Breslau und Göttingen studierte sie Philosophie; das Studium schloss sie mit dem Doktorgrad ab. Im Jahr 1922 trat sie zur katholischen Kirche über. Nach erfolgreicher Lehr- und Dozententätigkeit wurde sie 1933 in den Kölner Karmel aufgenommen und erhielt den Ordensnamen Teresia Benedicta a Cruce. Die Ewigen Gelübde legte sie 1938 ab und floh wegen der Judenverfolgung im Nazi-System noch im selben Jahr in den Karmel zu Echt nach Holland. Ihre wissenschaftlichen Arbeiten über die Verbindung von scholastischer Philosophie und Phänomenologie sowie über die Mystik des Johannes vom Kreuz verband sie mit einem nach Heiligkeit strebenden Leben und heldenhafter Opferbereitschaft. Die Geheime Staatspolizei verhaftete sie am 2. August 1942 in Echt und deportierte sie nach Auschwitz, wo sie am 9. August 1942 in der Gaskammer umgebracht wurde. Am 11. Oktober 1998 sprach sie der Papst heilig.

Im Vorbeifahren streifte der Papst noch einen zweiten Ort der besonderen Marienverehrung. Neben der Börse steht Sankt Maria Ablass, eine Kapelle der früheren Pfarrkirche St. Ursula, die nach der Säkularisation abgerissen wurde, weil die Gemeinde die schönere Stiftskirche in Besitz nehmen konnte. Sie enthält ein Gnadenbild, dem die Kölner seit dem Mittelalter Verehrung zollen. Der Name Maria Ablass erinnert an einen mittelalterlichen Brauch der Kölner Erzbischöfe: Bei der Palmsonntagsprozession zogen alle Kölner Kleriker und Laien vom Dom nach St. Gereon, wo die Palmweihe stattfand. Von dort wallfahrte man zurück in den Dom, um das Hochamt zu feiern. Der Rückweg führte über Maria Ablass, wo man Station machte; der Erzbischof predigte und verkündete dabei die Ablässe. Erstmals erwähnt wird die Kirche im Jahr 927.

Die Reverenz gegenüber den Kölner Heiligen ließ den Rückweg des Papstes zum Erzbischöflichen Haus zu einer „via sacra“, einem heiligen Weg zu den Kölner Heiligen, werden. (PEK/MBH)