Eröffnungsgottesdienst in Köln mit Predigt von Kardinal Meisner

Wir sind gekommen um Ihn anzubeten – Der XX. Weltjugendtag

 (DR)

Mit Gottesdiensten in Köln, Düsseldorf und Bonn ist am Dienstagabend der 20. katholische Weltjugendtag feierlich eröffnet worden. Bundespräsident Horst Köhler rief die jungen Teilnehmer aus aller Welt auf, sich vereint für Frieden und Umweltschutz einzusetzen. Der Kölner Erzbischof, Kardinal Joachim Meisner, sagte, die jungen Pilger seien die Zukunft der Kirche und die Zukunft der Welt. Er mahnte dazu, Verantwortung zu übernehmen: «Jeder von uns hat nur ein einziges Leben.»

Die Gottesdienste mit Eucharistiefeier im Freien wurden von internationalen Musikdarbietungen begleitet. Während der Liturgie im Kölner Stadion spendeten die fast 50.000 Jugendlichen oft minutenlangen jubelnden Applaus. Viele schwangen die Nationalflaggen ihrer Länder. Auch die Rede des Bundespräsidenten wurden mehrfach durch begeisterte La-Ola-Ovationen unterbrochen. Er wünsche sich diese Energie und Begeisterung für Deutschland und die ganze Welt, sagte Köhler.


«Nur gemeinsam können wir in unserer einen Welt Frieden schaffen und wahren, für Gerechtigkeit sorgen und unsere Umwelt schützen», unterstrich der Bundespräsident. Das Jugend-Treffen stärke das weltweite Zusammengehörigkeitsgefühl und biete die Möglichkeit, mehr Verständnis füreinander zu gewinnen, sagte Köhler.

In Düsseldorf appellierte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, an die jungen Menschen, auf den Ruf Gottes zu hören. Hinter dem Andrang zum Weltjugendtag steckten nicht nur Sehnsüchte nach Frieden, Bekämpfung von Armut und einer «Kultur der Liebe», sondern auch ein tieferer Grund.

Lehmann und Köhler begrüßten auch ausdrücklich die nicht-katholischen Teilnehmer des Großereignisses. Noch könne man sie nicht zu einer gemeinsamen Eucharistie einladen, sagte Kardinal Lehmann, aber «wir sind unterwegs auf einem gemeinsamen Weg». In Bonn läuteten vor dem Gottesdienst auch zahlreiche evangelische Kirchenglocken «als Ausdruck der engen ökumenischen Verbundenheit vor Ort», wie der evangelische Kirchenkreis betonte.

Am Vormittag hatten führende Vertreter der beiden großen Kirchen die Bedeutung des Weltjugendtages unterstrichen. Kardinal Lehmann äußerte die Erwartung, von dem Großereignis in Köln solle ein Zeichen der Hoffnung und des Glaubens ausgehen. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Berliner Bischof Wolfgang Huber, nannte den Weltjugendtag ein Zeichen für eine Renaissance der Religionen.

Zum Weltjugendtag in Köln haben sich rund 800.000 Menschen aus mehr als 190 Ländern angemeldet. Am Donnerstag wird Papst Bendedikt XVI.
erwartet, der am Sonntag auch die Abschlussmesse zelebrieren wird.


Sie können in Kürze die Predigt Kardinal Meisners und den gesamten Gottesdienst hier nachhören!


Die Predigt von Kardinal Meisner beim Eröffnungsgottesdienst des Weltjugendtages am 16. August 2005 im Rheinenergie-Stadion in Köln

Liebe Schwestern, liebe Brüder!

1. „Herzlich Willkommen im Erzbistum Köln!“ Wir freuen uns, dass ihr alle gekommen seid. Wir feiern den ersten Weltjugendtag mit zwei Päpsten: mit Papst Johannes Paul II. vom Himmel her und mit unserem Papst Benedikt XVI. von der Erde her. Was wird das für ein großes Fest des Glaubens werden! Drei Wochen vor seinem Tod ließ mich der Heilige Vater in die Gemelli-Klinik kommen und fragte mich dort: „Warten sie noch in Köln auf mich?“ – Ich sagte: „Heiliger Vater, wir warten unerschütterlich“. Wir rufen nun von hier aus zum Himmel hinauf: „Heiliger Vater Johannes Paul II., wir warten auf dich!“ Und wir rufen nach Rom hinüber: „Heiliger Vater Benedikt XVI., wir warten auf dich!“ Mit dem Petrus von gestern, das ist Johannes Paul II., und mit dem Petrus von heute, das ist Benedikt XVI., in unserer Mitte, werden wir auf unserem Glaubensweg gestärkt, denn dem Petrus wurde vom Herrn gesagt: „Stärke deine Brüder (und Schwestern)“ (Lk 22,32).

Junge Menschen sind noch viel näher an ihrem Lebensbeginn als ältere Leute. Darum wirkt in ihnen der Ursprung ihres Lebens aus Gottes Hand viel stärker und intensiver in der Suche nach echtem und wahrhaftigem Leben nach, als bei anderen Leuten. Wer darum jungen Menschen bei dieser Suche weniger als Gott gibt, der gibt ihnen immer zu wenig. Diese Sehnsucht nach einem geglückten Leben hat euch auf den Weg nach Köln gebracht, wo wir bei den ersten Gottessuchern, bei den Heiligen Drei Königen, in die Schule gehen. Was der Evangelist Matthäus von ihnen geschrieben hat, hat Papst Johannes Paul II. vor zwei Jahren über den Kölner Weltjugendtag geschrieben: „Wir sind gekommen, um IHN anzubeten“ (vgl. Mt 2,2).

2. Jeder von uns hat nur ein einziges Leben. Darin gibt es keine verantwortungsfreie Erprobungszeit, wie etwa bei der Fahrschule. Hier fängt jeder gleich als vollverantwortlicher Verkehrsteilnehmer an. Deshalb gibt es kein Leben, Lieben, Glauben und Sterben auf Probe. Hier ist immer gleich Ernstfall. Hier trete ich immer gleich in die volle Verantwortung ein. Das brauche ich euch eigentlich gar nicht zu sagen, das wisst ihr alle selbst intuitiv von eurem Ursprung her aus Gottes Schöpferhand. Das verbindet euch mit allen Jugendlichen der ganzen Welt. Ihr begegnet euch in diesen Tagen nicht als Fremde, sondern als Verwandte und als Weggefährten: „Verwandte“ deshalb, weil wir den gleichen Ursprung aus Gottes Hand haben, und „Weggefährten“ deshalb, weil uns die Sehnsucht nach einem sinnvollen und lohnenden Leben, d.h. nach einem Leben mit Gott auf den gleichen Weg geführt hat. Anbetung bedeutet nicht mehr aber auch nicht weniger, als mit den Heiligen Drei Königen auf die Augenhöhe Gottes zu gehen, indem wir uns vor Gott niederknien, indem wir – wie sie – vor dem Kind in der Krippe in die Knie gehen. Gott hat sich so klein gemacht, dass er in alle unsere persönlichen Lebenswege und Lebensschicksale hineinpasst. Wir würden ihn aber darin übersehen, wenn wir gleichsam wie ein „Hans-guck-in-die-Luft“ durch das Leben gingen. In der Fußwaschung wird er unter den Füßen seiner Jünger sichtbar. Gott ist unten. Anbetung auf den Knien macht den Menschen nicht klein, sondern groß, denn sie bringt ihn auf die Augenhöhe Gottes.

3. In uns allen lebt die gemeinsame Sehnsucht nach dem Guten, nach dem Reinen, Großen und Schönen. Warum ist das so? – Weil wir Abbilder Gottes sind, der das höchste Gut und die Reinheit in Person ist. Deshalb kann keiner ungut, unrein und hässlich sein wollen. In uns allen lebt der Hunger nach Liebe. Auf die Frage: „Möchtest du ungeliebt sein?“, antwortete mir ein ungläubiger Mensch: „Das wäre ja die Hölle“. Woher wusste er denn das ohne jede Glaubensunterweisung? – Weil alle Menschen aus Gottes Hand kommen und von dieser ihrer Herkunft her ein verborgenes Wissen um Gott und ihre eigene Gottebenbildlichkeit in sich tragen. Und weil Gott keinen Menschen loslässt, selbst wenn er sich von ihm lossagt, bleibt er immer offen für den Ursprung und das Ziel seines Lebens. Der hl. Augustinus hat das vor 1.600 Jahren schon gewusst und in seinem berühmten Wort zusammengefasst: „Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir“.

4. Diese innere Zugkraft Gottes hat die Heiligen Drei Könige vor zweitausend Jahren auf den Weg zu Christus bewegt und hat euch heute hierher nach Köln gebracht, um Christus zu suchen und zu finden. Er garantiert euch eine große Zukunft, ein erfülltes Leben. Für Christus gibt es keine Alternative. Als einige Jünger sich an den Worten Jesu störten, gingen sie nicht mehr weiter mit ihm. Die Zurückgebliebenen fragte Jesus  dann: „Wollt auch ihr gehen?“ Und da ist es der erste Petrus, der dem Herrn eine Antwort gibt, die gleichsam das erste und das kürzeste Glaubensbekenntnis in der Heiligen Schrift darstellt: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens“ (Joh 6,68). Dieses Bekenntnis des Petrus ist auch unser eigenes Bekenntnis: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Nur du hast Worte des ewigen Lebens“. Der Herr sagt uns ausdrücklich: „Niemand kann zu mir kommen, wenn nicht der Vater, der mich gesandt hat, ihn zu mir führt“ (Joh 6,44). Euch, liebe Schwestern und Brüder hat der Vater geführt. Das ist der letzte Grund, warum ihr hier in Köln seid. Es ist das Ergebnis einer gnadenhaften Aktion Gottes. Und das verspreche ich euch gleichsam mit Ehrenwort: Und er bleibt durch euch in der Führung, damit ihr für eure Umwelt, für euer Vaterland, für die Welt zum Segen werdet, indem ihr durch euren Einsatz die weltweite Gottesferne in die Nähe zu Gott wandelt. Dann erst bleibt die Welt bewohnbar für die Menschen als Kinder Gottes.

Und darum, liebe jugendliche Pilger aus aller Welt, seid ihr die Zukunft der Kirche und die Zukunft der Welt, weil ihr Kinder Gottes, Schwestern und Brüder Christi und lebendige Tempel des Heiligen Geistes seid. Die Welt lebt nicht zuerst und allein von Produktionsziffern, von Kühlschränken, von Raketen und ähnlichem mehr, sondern sie lebt zuerst von ihrer Rückkoppelung an den lebendigen Gott und damit an die Quelle ihres Lebens.

Der Weltjugendtag 2005 in Köln ist nicht nur ein innerkatholisches Ereignis, sondern er geht die ganze Welt an. Christus ist nicht ein christlicher Grundstücksverwalter, sondern er ist Herr der Welt. Und wir suchen in diesen Tagen Christus nicht nur um unserer selbst willen, sondern gerade auch um unserer anderen Schwestern und Brüder willen, denen wir auch das Glück des Glaubens an Christus schenken möchten.   Amen.

+ Joachim Kardinal Meisner
   Erzbischof von Köln

Es gilt das gesprochene Wort