Milliardenschwere amerikanische Waffenlieferungen in die Krisenregion geplant

Hightech-Waffen im Pulverfass Naher Osten

Die Gespräche der internationalen Gemeinschaft und der USA mit Teheran kommen nicht voran. Der Iran baut vermutlich weiter an seinen Atomwaffen. US-Präsident Bush hat jetzt einen Plan B gegen den Erzfeind aus der Tasche gezogen: Waffenlieferungen an Verbündete im Nahen Osten. Israel, aber auch Saudi Arabien sollen mit modernsten Waffen und Militärtechnologien beliefert werden, die nach US-Presseberichten alle bisherigen Militärhilfen der USA in den Schatten stellen. Für 20 Milliarden Dollar sollen in den nächsten zehn Jahren Waffen in die Region geliefert werden.

 (DR)

Seit dem Irakkrieg ist die Machtbalance im Nahen Osten aus dem Gleichgewicht. Die Regierung in Teheran versucht seit Jahren, ihre Vormachtstellung im Nahen Osten auszubauen. Mit den Waffenlieferungen will Präsident Bush jetzt die Gegenkräfte des Iran in der Region zu stärken. Saudi-Arabien, Kuwait, Katar, Oman, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate gelten als gemäßigt und sollen in den kommenden zehn Jahren Waffen im Wert von 20 Milliarden Dollar erhalten, schreibt die "Washington Post".

Israels Bedenken gegen die Waffenlieferungen wurden mit der Zusage ausgeräumt, die Militärhilfe für das Land um fast 40 Prozent aufzugestocken. 30,4 Milliarden Dollar für Rüstung soll Israel in den kommenden zehn Jahren erhalten, berichtet die "New York Times".

Der Feind unseres Feindes ist unser Freund
Waffenlieferungen in den Nahen Osten, nach diesem Muster hat auch Saddam Hussein in den 80`er Jahren amerikanischen Waffen für den Kampf gegen den Iran bekommen. Bis zum Einmarsch in Kuweit im Jahr 1990, galt der Irak den USA als Stabilisator in der Region.

Auch die Empfänger der jetzt geplanten Waffenlieferungen gelten als politisch unsichere Kandidaten. Besonders die Waffenlieferungen an Saudi Arabien werden kritisch gesehen. Der amerikanische UN-Botschafter Zalmay Khalilzad hat Saudi-Arabien am Sonntag in einem CNN-Interview vorgeworfen, die Bemühungen der USA zur Stabilisierung des Iraks zu untergraben. Irakische Politiker werfen Saudi Arabien offen vor, dass es Unterstützung radikaler Gruppen für die sunnitischen Aufständischen im Irak nicht unterbindet und auch die Einreise von Selbstmordattentäter nicht verhindert.

Der ehemalige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) kritisierte, die Aufrüstung einiger arabischer Staaten und Israels werde die ohnehin komplizierte Lage in der Region "gewiss nicht vereinfachen". Die USA schienen die Erfahrungen vergessen zu haben, die sie selbst mit ihren Rüstungsexporten zunächst an den Iran des Schahs machten und dann mit der Aufrüstung des Irak Saddam Husseins gegen den Iran Khomeinis, aber auch mit den Waffenlieferungen nach Afghanistan.

Unions-Fraktion verurteilt US-Rüstungsdeal mit Nahost-Staaten
Auch deutsche Politiker kritisierten das amerikanische Vorgehen. "Wenn man in ein Pulverfass weitere explosive Gegenstände hinein gibt, erhöht man das Risiko und macht die Region nicht sicherer", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, Ruprecht Polenz, der "Frankfurter Rundschau".

Polenz sprach von einer Strategie mit hohem Risiko. "Die von den USA beabsichtigte Wirkung - Iran zu signalisieren, ein auf militärischer Macht gegründetes Hegemonialstreben werde nicht zum Erfolg führen - kann in Teheran auch die falsche Reaktion auslösen: dass man sich nämlich dort noch mehr anstrengt und schneller hochrüstet", warnte der CDU-Politiker.

Der rüstungskontrollpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Karl- Theodor zu Guttenberg (CSU), sprach in Berlin von dem Eindruck, das Waffengeschäft diene "mehr der Rüstungsindustrie als einer gebeutelten Region". Es erscheine fraglich, wie den komplexen Herausforderungen in der Krisenregion allein durch militärische Unterstützung begegnet werden könne. Dies sei "nicht Ausdruck einer schlüssigen Nahost-Politik".

Zurückhaltung bei der Bundesregierung
Beide Unions-Politiker forderten die USA auf, ihre Strategien enger mit den europäischen Partnern abzustimmen. Anstatt einseitige Schritte zu unternehmen, hätte Washington einen Verhandlungsprozess in Gang setzen sollen, sagte Polenz. Der Bundesregierung empfahl er als Reaktion, glaubwürdig für die Überzeugung zu werben, dass Waffen nicht in Krisengebiete geliefert werden sollten.

Die Bundesregierung hielt sich mit einer Bewertung der US-Pläne, über die man von den "amerikanischen Freunden noch keine direkte Information" erhalten habe, bisher allerdings zurück. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte: "Wir unterstützen, was mehr Stabilität in die Golfregion bringt." Er betonte zugleich, dass die Bundesregierung die Lösung von Konflikten "bevorzugt auf politischem Wege" verfolge.

Kritik auch von SPD und Grünen
SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sagte, US-Präsident George W. Bush verfüge offenbar "über die Gabe, in der Außen- und Sicherheitspolitik immer exakt den falschen Ansatz zu wählen." Es sei nicht verantwortlich, eine Spirale des Wettrüstens anzuheizen und Waffen in eine instabile Region zu liefern. SPD-Fraktionsvize Walter Kolbow bezeichnete die Pläne Bushs als "gefährlich". Ihr Nutzen bestehe vor allem in Milliardenaufträgen für die US-Rüstungsindustrie.

Der Grünen-Abrüstungsexperte Winfried Nachtwei kritisierte, mit ihren Plänen stärkten die USA die Hardliner im Iran. Die Aussichten für ein positives Ende der Gespräche über Irans Atomprogramm würden immer düsterer. Die Bundesregierung und die EU müssten gegenüber den USA deutlich machen, dass die Aufrüstung der iranischen Nachbarn kein Beitrag zur Friedenssicherung sei, forderte Nachtwei.