Kirchenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktionen besuchen gemeinsam den Papst

Frommes Feeling und Wertedebatten

Bundesregierung und Opposition demonstrieren in Rom ausnahmsweise perfektes Einvernehmen. Die kirchenpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen starteten am Mittwoch einen zweitägigen Besuch im Vatikan, bei dem sie die bundesdeutschen Konflikte beiseite lassen. Mit Tausenden anderen Pilgern nahmen die drei katholischen und zwei evangelischen Politiker gemeinsam an der wöchentlichen Generalaudienz von Papst Benedikt XVI. teil.

 (DR)

Begeisterung löste die Begegnung mit dem deutschen Kirchenoberhaupt nicht nur unter den katholischen sondern auch bei evangelischen Mitgliedern der politischen Reisegruppe aus. Als evangelischer Christin sei es ihr zwar fremd, «wenn auf eine Person zugeschnittene religiöse Gesten im Mittelpunkt stehen», gestand die kirchenpolitische Sprecherin der SPD, Kerstin Griese. Die Politikerin, die der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland angehört, fand den begeisterten Jubel von Jugendgruppen, die der Papst einzeln ansprach, aber dennoch beeindruckend.

Besondere Nähe zum Papst demonstrierte bislang ausgerechnet der Vertreter der Grünen in der politischen Reisegruppe. Josef Winkler präsentiert sich auf seiner Internetseite stolz auf einem Foto mit Papst Johannes Paul II. In der deutschen Amtskirche werde eher formal zelebriert, klagt der aus dem indischen Kerala stammende Katholik.
Bei der Generalaudienz sei dagegen mit dem Jubel der Teilnehmer aus aller Welt «Kirchentagsfeeling» aufgekommen.

Überraschend fand auch der FDP-Abgeordnete Hans-Michael Goldmann den «Fröhlichkeitscharakter» der wöchentlichen Begegnungen des Papstes mit den Gläubigen. Goldmann erlebte Benedikt «fit für einen Achtzigjährigen» und «angenehm zurückhaltend».

Diplomatisch zurückhaltend zeigte sich der stellvertretende vatikanische Außenminister, Pietro Parolin, gegenüber den Bundestagsabgeordneten. Im Gespräch mit den deutschen Politikern habe er das Ergebnis des Brüsseler EU-Gipfels weder als Erfolg noch als Misserfolg bezeichnet, erklärte die SPD-Abgeordnete Griese. Einig sei er mit ihnen in der Einschätzung gewesen, dass es nicht nur ein Europa der Märkte, sondern auch eines der Werte geben müsse.

Zu den deutsch-polnischen Spannungen habe Parolin sie auf die Möglichkeit hingewiesen, dass die Bischofskonferenzen beider Länder sich um Versöhnung bemühen. Bereits 1965 hatte ein Briefwechsel der polnischen und deutschen katholischen Bischöfe mit dem berühmt gewordenen Satz «Wir vergeben und bitten um Vergebung» den Aussöhnungsprozess zwischen beiden Ländern entscheidend vorangebracht.

Politische Themen stehen bei dem zweitägigen Besuch auch an diesem Donnerstag auf dem Programm - bei einem Besuch der als «UNO von Trastevere» berühmten katholischen Laienbewegung Sant'Egidio. Die Kirchenbeauftragte der CDU/CSU-Fraktion, Ingrid Fischbach, wollte zuvor noch beim Treffen mit dem Präfekten der vatikanischen Bildungskongregation die gemeinsame Verantwortung kirchlicher und staatlicher Institutionen für frühkindliche Erziehung betonen.

Den Spuren des römischen Christentums gingen die fünf Abgeordneten, zu denen auch Bodo Ramelow von der Linksfraktion gehört, bei einem Besuch der Ausgrabungen unter dem Petersdom, am Petersgrab und antiken römischen Grabstätten auf den Grund.