Am 17. Dezember beginnt der Hochadvent

Sieben Anreden für Christus

Eine Woche vor Heiligabend beginnt die letzte Phase der Adventszeit, der sogenannte Hochadvent. Für die Liturgie gibt es in dieser Zeit für jeden Tag eine Besonderheit, nämlich sieben Anreden für Jesus Christus – die O-Antiphonen.

Autor/in:
Jan Hendrik Stens
Christus als Weltenrichter flankiert von zwei Engeln, Kölner Dom, Dreikönigenschrein / © Dombauhütte / Foto: Matz und Schenk (Kölner Dom)
Christus als Weltenrichter flankiert von zwei Engeln, Kölner Dom, Dreikönigenschrein / © Dombauhütte / Foto: Matz und Schenk ( Kölner Dom )

So wie die Fastenzeit die Vorbereitung auf das Osterfest ist, so bereiten sich Christen in der Adventszeit auf Weihnachten vor. In der Liturgie wird das durch die liturgische Farbe Violett und die etwas schlichter gefeierten Gottesdienste deutlich. Eine weitere Parallele beider Kirchenjahreszeiten ist die jeweils letzte Woche vor dem großen Fest. Ähnlich wie die Karwoche vor Ostern beginnt eine Woche vor Heiligabend der Hochadvent.

Nun hat Weihnachten längst nicht die Bedeutung für das Christentum wie Ostern und so hat auch die Adventszeit nicht dasselbe liturgische Gewicht wie die Fastenzeit. Doch unterscheidet sich der Hochadvent von der vorangegangenen Adventszeit schon allein durch die liturgischen Texte, die den Fokus verstärkt auf die Geburt des Herrn setzen.

Ursprung und liturgischer Kontext

Die sogenannten O-Antiphonen gehören zu den markanten Elementen des Hochadvents. Vom 17. bis 23. Dezember prägen sie die Liturgie der Vesper, wo sie jeweils vor und nach dem Magnificat, dem Lobgesang Mariens, erklingen. Ihren Namen tragen sie aufgrund ihres einleitenden Ausrufs "O". Inhaltlich richten sie sich an Christus und fassen in dichter Form zentrale biblische Motive und messianische Erwartungen zusammen, wie sie im Alten und Neuen Testament begegnen.

O-Antiphonen in einem monastischen Antiphonale / © Jan Hendrik Stens (DR)
O-Antiphonen in einem monastischen Antiphonale / © Jan Hendrik Stens ( DR )

Die Wurzeln der O-Antiphonen reichen mindestens bis ins frühe Mittelalter zurück; ihre heutige Form ist seit dem 8. Jahrhundert belegt. Sie werden in vielen Klöstern und Kathedralen bis heute bewusst feierlich gestaltet, da sie die unmittelbare Erwartung der Geburt Christi ausdrücken. Während ihre Hauptverwendung im Stundengebet liegt, erlaubt die Liturgie auch ihre Nutzung als Hallelujavers vor dem Evangelium der Heiligen Messe, wodurch sie stärker in die Gemeindeliturgie einfließen können.

Struktur und theologische Bedeutung

Jede Antiphon beginnt mit einem alttestamentlichen Titel für den erwarteten Messias. Diese Anrufungen schöpfen aus verschiedenen biblischen Quellen und verbinden sie christologisch:

17. Dezember: "O Sapientia" – Weisheit (vgl. Weisheit 7, Sprichwörter 8; Jesus Sirach 24). Christus erscheint als göttliche Weisheit, durch die die Welt geordnet ist.

18. Dezember: "O Adonai" – Herr (Exodus 3). Hier wird auf Gottes Offenbarung im brennenden Dornbusch und die Befreiung Israels Bezug genommen.

19. Dezember: "O Radix Jesse" – Wurzel Jesse (Jesaja 11). Der Messias wird als Spross aus dem Geschlecht Davids gerufen.

20. Dezember: "O Clavis David" – Schlüssel Davids (Jesaja 22; Offenbarung 3). Christus ist der, der öffnet und schließt; er schenkt Zugang zum Heil.

21. Dezember: "O Oriens" – Morgenstern, aufgehendes Licht (Lukas 1; Maleachi 3). Christus wird als Licht der Welt angerufen.

22. Dezember: "O Rex Gentium" – König der Völker (Jesaja 33). Hier tritt Christus als universaler Friedensstifter hervor.

23. Dezember: O Emmanuel – "Gott mit uns" (Jesaja 7). Die letzte Antiphon fasst die Erwartung der Inkarnation (Fleischwerdung) zusammen.

Gemeinsam bilden diese Titel ein kompaktes theologisches Panorama messianischer Hoffnung: Christus erscheint als Weisheit und Herr, als Wurzel und Schlüssel, als Licht und König, schließlich als Gott-mit-uns.

Poetische und geistliche Dimension

Die Antiphonen beeindrucken durch hohe sprachliche Verdichtung. Trotz ihres Alters sprechen sie unmittelbar auch moderne Leser und Hörer an: Sie verbinden Erwartung und Erfüllung, alttestamentliche Bilder und weihnachtliche Freude, persönliche Sehnsucht und gemeinschaftliches Beten.

In der Tradition wurde immer wieder betont, dass die Abfolge der Antiphonen ein bewusst gestaltetes Ganzes bildet. Liest man die Anfangsbuchstaben der sieben Titel rückwärts – E R O C R A S –, ergibt sich das lateinische "ero cras": Morgen werde ich da sein. Dieser verdeckte Akrostichon gilt als geistlicher Hinweis auf das unmittelbar bevorstehende Fest der Geburt Christi.

Bedeutung heute

In der liturgischen Praxis einiger Gemeinden rücken die O-Antiphonen wieder neu in den Blick, nicht zuletzt durch musikalische Interpretationen und geistliche Impulse in der Adventszeit. Sie ermöglichen eine konzentrierte Hinführung auf Weihnachten und eröffnen einen Zugang zu den biblischen Erwartungen, die das Fest tragen.

Durch ihre klare Struktur und die Tiefe ihrer biblischen Anspielungen eignen sie sich sowohl für liturgisch erfahrene Gläubige als auch für Menschen, die die adventliche Tradition neu entdecken möchten. Damit stehen die O-Antiphonen exemplarisch für die Spannung des Advents: die Erinnerung an Gottes Verheißungen und die Hoffnung auf seine bleibende Gegenwart.

Fragen und Antworten zum Advent

Was bedeutet das Wort Advent?

Advent kommt vom lateinischen "adventus" und bedeutet "Ankunft". Für Christen ist der Advent die Zeit der Vorbereitung auf die Ankunft Jesu auf Erden, die an Weihnachten gefeiert wird. In den Gottesdiensten werden häufig Texte aus dem Alten Testament verwendet, die die Ankunft des Erlösers prophezeien.

Ist der Advent heute noch Fasten- oder Bußzeit?

Symbolbild Adventskranz in einer Kirche / © Harald Oppitz (KNA)
Symbolbild Adventskranz in einer Kirche / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR

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