In Brüssel sorgt eine moderne Weihnachtskrippe der deutschen Künstlerin Victoria-Maria Geyer für heftige Diskussionen. Das Kunstwerk, das seit Ende November auf der Grand-Place ausgestellt ist, zeigt die Heilige Familie vollständig aus Stoff.
Die Köpfe der Figuren bestehen aus braunen und beigen Stoffflicken und weisen keine erkennbaren Gesichtszüge auf. Kritiker werten dies als Entstellung christlicher Traditionen. Die Installation ersetzt eine alte hölzerne Krippe der Stadt Brüssel, die im Lauf der Zeit beschädigt worden war.
Die Künstlerin, Victoria-Maria Geyer, sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Donnerstag: "Die aktuelle Debatte hat uns vollkommen überrollt." Der mediale Sturm sei eine politische Instrumentalisierung. "Unsere Arbeit wurde in enger Zusammenarbeit mit der Stadt Brüssel sowie dem Erzbistum durchgeführt, insbesondere mit Erzbischof Luc Terlinden selbst", so Geyer.
Es sei für sie eine Ehre, "für und mit der Kirche zu arbeiten". Vor allem Rückmeldungen aus dem christlichen Umfeld seien für sie äußerst ermutigend. "Wenn die Krippe nun zum Mittelpunkt der Diskussion in den Familien wird, ist das aus christlicher Sicht ein großer Erfolg."
Künstlerin erklärt Projekt
Im KNA-Gespräch erläutert Geyer ihr Konzept: Es handele sich um eine moderne, poetische Installation. Unter einem zeltartigen Dach habe sie lebensgroße Figuren aus Stoff arrangiert - bunt gekleidet und bewusst ohne detaillierte Gesichter.
"Die dahinterstehende Bedeutung ist zutiefst spirituell: Wir alle sind zu verschiedenen Momenten unseres Lebens einmal der besorgte Josef, eine hoffnungsvolle Maria oder ein Kind auf der Suche nach Mitgefühl gewesen."
Die neutralen Gesichter ermöglichten den Betrachtern, sich selbst in den Figuren wiederzufinden und den Glauben persönlich anzueignen, argumentiert die Künstlerin. Für Geyer steht die universelle Botschaft von Liebe, Hoffnung und Mitgefühl im Zentrum. Zugleich soll die textile Gestaltung an Belgiens traditionsreiche Textilkunst erinnern.
Unterdessen haben mehrere tausend Menschen eine Petition gegen die Krippe auf dem Brüsseler Rathausplatz unterzeichnet. Initiiert wurde sie von der konservativ-liberalen Partei Mouvement Réformateur.
Deren Vorsitzender Georges-Louis Bouchez schreibt dazu: "Die Krippe auf der Grand-Place in Brüssel ist ein Unsinn und eine Beleidigung für unsere Traditionen. Diese gesichtslosen Figuren erinnern eher an eine Hommage an Zombies, wie man sie in der Nähe der Brüsseler Bahnhöfe finden kann, als an eine Krippe; und sie stehen in keiner Weise für den Geist von Weihnachten." Bouchez fordert einen sofortigen Austausch des Kunstwerks.
Bürgermeister Philippe Close rief hingegen zu mehr Gelassenheit auf; man müsse "einen Gang zurückschalten". Die Darstellung sei vorher von kirchlichen Stellen genehmigt worden, betont er.
Stadtpfarrer kritisiert Politiker
Der mitverantwortliche Brüsseler Stadtpfarrer Benoît Lobet kritisierte im Gespräch mit dem Portal "CathoBel" am Mittwoch die Aussagen von Bouchez: "Wenn ich Herrn Bouchez höre, der sagt, er sehe in den Figuren etwas, das den Zombies rund um den Südbahnhof ähnelt, dann erweist er uns einen Dienst – denn genau das wollten wir zeigen."
Die Krippe solle in Erinnerung rufen, dass etwa 9.000 Menschen in der Hauptstadt auf der Straße schlafen – darunter auch Kinder. "Den Verletzlichen zu helfen, das sind die christlichen Werte. Ganz besonders in dieser Zeit."
Zudem nahm Lobet die Künstlerin in Schutz: "Ich möchte betonen, dass die Innenarchitektin Victoria-Maria eine praktizierende katholische Christin ist. Sie ist hier in Brüssel Gemeindemitglied, geht jeden Sonntag zur Messe und schickt ihre Kinder zum Katechismus."
Die künstlerische Idee, gebrauchte und recycelte Stoffe zu verwenden und auf besondere Weise zu kombinieren, lobte der Geistliche. So zeige man die Verletzlichkeit der Menschen in der Krippe. "Wenn keine Gesichter vorhanden sind, wird der Betrachter ein Stück weit dazu eingeladen, das Geschehen der Krippe mitzuerleben und selbst darin präsent zu sein", erklärte Lobet.
Am Wochenende spitzte sich die Lage weiter zu: Der Stoffkopf des Jesuskindes wurde aus der Krippe gestohlen. Die Stadt verstärkte daraufhin die Sicherheitsmaßnahmen rund um das Kunstwerk. Wie es mit der umstrittenen Installation weitergeht, ist noch ungewiss. Fest steht jedoch: Vorweihnachtliche Besinnlichkeit sieht anders aus.