Woher wissen wir eigentlich, dass es Könige waren, die dem Stern zur Krippe gefolgt sind? Woher wissen wir, dass sie heilig waren und waren es überhaupt drei Könige? In der Bibel steht davon nichts. Von ominösen "Magoi" ist da die Rede, also Angehörigen einer damaligen Priesterkaste. "Was heute die Yellow Press, die Regenbogenpresse, fabriziert, das haben im Mittelalter die Legenden geschaffen", sagt Brauchtumsforscher Manfred Becker-Huberti, "so beginnt sich die Geschichte der Heiligen Drei Könige als Legende zu entwickeln – in Ergänzung zum biblischen Text".
Aus den "Magoi" im Matthäusevangelium machte die Legende die Heiligen Drei Könige Caspar, Melchior und Balthasar. Und wie es mit Legenden so ist, gibt es nicht nur die eine, wohl populärste Legende, die von den Drei Königen erzählt, sondern noch weitere, nicht so bekannte Überlieferungen, die von den prominenten Pilgern erzählen, die einst dem Stern nach Bethlehem gefolgt sind.
Eine ganz besondere und spannende Königs-Erzählung hat Becker-Huberti jetzt aufgetan und ihr sein neues Buch gewidmet. Laut dieser Legende waren es gar nicht drei Könige, sondern vier, die zum Jesuskind unterwegs waren. Nur ist der vierte König gar nicht rechtzeitig in Bethlehem angekommen, weil er unterwegs immer wieder aufgehalten wurde, um notleidenden Menschen zu helfen.
Die Geschichte vom vierten König hat der US-amerikanische Priester Henry van Dyke 1895 aufgeschrieben. "The story oft he other wise man" fand in Ausschnitten eine weltweite Verbreitung und erreichte auch den deutschen Bestsellerautor Edzard Schaper, der einen Roman daraus machte – und so lebte die Legende vom vierten der Heiligen Drei Könige weiter und fiel auch Becker-Huberti in die Hände.
Der Brauchtumsforscher war von der Geschichte so fasziniert, dass er jetzt ein Buch über die Hintergründe des vierten Königs geschrieben hat. Die Botschaft dieser berührenden Legende: Nächstenliebe ist praktizierte Gottesliebe. Denn der vierte König hilft, er guckt nicht weg, er setzt die Geschenke, die er für das Jesuskind mitgebracht hat, ein, um notleidenden Menschen zu helfen, bis er gar nichts mehr hat und selbst da noch einen unschuldigen Galeerensklaven befreit, indem er sich selbst als Sklave in eine Galeere ketten lässt.
Viel zu spät kommt der vierte König schließlich in Jerusalem an und trifft Jesus am Kreuz. Er fällt auf die Knie und entschuldigt sich. Unsäglich traurig sei er, dass er Jesus nicht früher begegnet sei. Jesus aber sagt: Du bist mir doch auf deinem Weg immer wieder begegnet, denn was du dem Geringsten meiner Brüder getan hast, das hast du mir getan.
Becker-Huberti sucht in seinem Buch über den vierten König eine Antwort auf die Frage: Wie geht Christsein heute? "Barmherzigkeit und Nächstenliebe zeigen uns den Weg, um Jesus zu begegnen", sagt er – und da ist der vierte König ein Vorbild. Wie er heißt? Hat er nicht wie Caspar, Melchior und Balthasar einen Namen? Becker-Huberti nennt ihn "den kleinen König", einen Namen hat er nicht, denn wir – jeder von uns ist mit ihm gemeint – tragen auch in seiner Nachfolge seinen Namen.